Einmal Bayreuth und zurück

  • Ist eine Fahrt nach Bayreuth eine Reise? Von mir sind es nur etwa 25 km, andere fahren eine solche Strecke täglich zur Arbeit.


    Für mich sollte es die erste größere Fahrt mit der Schwalbe werden. Wer mich in der letzten Zeit im Chat erlebt hat, mag vielleicht mitbekommen haben, daß ich momentan an akutem Schwalbinismus leide. Irgendwie macht das Schwalbefahren süchtig. Seit ein paar Wochen habe ich eine KR 51/1, Baujahr '74, die - Opi sei Dank - auch größtenteils funktionsfähig ist.


    Nachdem ich nun die Einfahrphase (neue Kolbenringe) hinter mir habe, wollte ich mir an diesem Freitagabend etwas Zeit nehmen, um gemütlich über die Dörfer nach Bayreuth zu fahren.


    Fahren? Was ich recht bald gelernt habe, ist, daß man mit einer Schwalbe nicht fährt. Man schwebt etwa eine Handbreit über dem Asphalt. So zumindest kommt es mir vor, mir, dem Automatikfahrer, der mit einem kleinrädrigen Roller "großgeworden" ist. Dieser SRA 50 quittiert jede Bodenunebenheit mit einem kleinen Bocksprung und durchquert jedes Schlagloch mit lautem Kawumm. Die Schwalbe hingegen hat ein Vollschwingenfahrwerk und lässt sich von Bodenrillen, Schlaglöchern und Kanaldeckeln nicht im mindesten aus der Ruhe bringen. Ich werde mir also beim Schwalbefahren den Kanaldeckelslalom abgewöhnen müssen. Wozu auch? Schnurgeradeaus heißt die Devise!


    Die Strecke über Trockau, Weiglathal, Spänfleck, Gesees, Forkendorf kann ich jedem empfehlen, der von Süden aus nach Bayreuth reinfährt: viel entspannter als über die B2/B85 und (von Pegnitz aus) kein großer Umweg. Und viel schöner: kurz hinter Spänfleck hat man einen herrlichen Panoramablick ins Tal. Bei schönem Wetter eine Traumstrecke, die ich immer wieder gerne fahre.


    Leider war das Wetter alles andere als schön, doch dazu später mehr.


    Der Stadtverkehr in Bayreuth war ein unfreiwilliger Prüfstein: Freitagabend um ca. 17:00 Uhr ist dort der Bär los. Sicherlich nicht so schlimm wie in den Großstädten, aber für meine Begriffe reicht es. Anfahren, raufschalten, weiter beschleunigen, abbremsen, gleichzeitig runterschalten, anhalten, den Motor auf Drehzahl zu halten, damit hatte ich alle Hände voll zu tun. Nüchtern betrachtet ist der SRA 50, mein "Schaukelpferdchen" für den Stadtverkehr besser geeignet. Durch die Variomatik läuft der Motor stets nahe am Optimum und entwickelt ein Durchzugsvermögen, das die Schwalben mit Schaltgetriebe nicht bringen können. Da kann ich zumindest in der Stadt mit den Autos locker mithalten. Mit der Schwalbe ist das etwas schwieriger. Diese variomatische Beschleunigung bringt eine Dreigang-Schwalbe nicht zustande. Ich bin zwar kein ausgesprochenes Hindernis, aber etwas mehr Durchzug dürfte schon sein. Nunja, vielleicht muß ich einfach noch ein bißchen üben.


    Nachdem ich Bayreuth von Südwest nach Nordost durchquert und alle Besorgungen erledigt hatte, machte ich mich auf den Heimweg. Das Wetter war nach wie vor bescheiden, es hatte sich eingeregnet, fast wie in Suhl, nur nicht gar so kalt. Wer bei solchem Wetter freiwillig auf zwei Rädern unterwegs ist, anstatt die Strecke warm und trocken im Auto zu fahren, muß wirklich nicht ganz dicht sein.


    Um auf kürzester Strecke nach Hause zu kommen, nahm ich für den Rückweg die Bundesstraße, sie ist flacher als die Strecke über die Dörfer, aber um diese Zeit ziemlich stark befahren.


    Kurz hinter dem Industriegebiet von Wolfsbach, wo Bayreuth nun beim besten Willen zu Ende ist und die freie Strecke anfängt, sah ich am linken Straßenrand an der Ausfahrt eines Parkplatzes jemanden ein Motorrad oder Roller schieben. Ich kam näher - ein Roller. Ich kam noch näher - eine Schwalbe. 'Warum schiebt der?', dachte ich mir, als mich die Autos mit dem üblichen Sicherheitsabstand von etwa einer Handbreit überholten. 'Hat er wohl Schwierigkeiten? Und wenn er welche hat, werde ich da helfen können?' Es war wieder mein übliches Problem: ich denke zu lange und handle zu spät. Also Blinker links - die dämlichen BMW-Fahrer hatten sich endlich alle vorbeigedrängelt - auch im Gegenverkehr war eine große Lücke, und von der anderen Seite in den Parkplatz hinein, dort die 200 m zurück, und da stand er. Kein Teenie, wie ich erwartet hätte, sondern ein angehender Mittvierziger (oder Endvierziger?), also etwa in meinem Alter. Sein Gefährt war eine schmucke KR 51/2, bei der allerdings die Blinker fehlten (vom Vorbesitzer entfernt, wie er mir später erzählte).


    "Hallo!" grüßte ich ihn, "hast du Probleme?"


    Er lächelte, wohl eine Mischung aus Erleichterung und Verlegenheit. Erleichterung, daß endlich einer angehalten hatte, und Verlegenheit wegen seines Mißgeschickes. Ihm sei wahrscheinlich nur der Sprit ausgegangen, erklärte er mir. Auch auf Reserve kam nichts mehr.


    "Wie weit ist es denn zur nächsten Tankstelle?" fragte er.


    "Etwa 5 Kilometer, vielleicht auch etwas weniger. Aber wenn es nur der Sprit ist, kann ich dir helfen."


    Mir war es auch schon passiert, daß ich wegen Spritmangels liegengeblieben war. Besonders bei der Schwalbe, die ja keine Tankanzeige hat, kann sowas vorkommen, wenn man nicht aufpasst. Aus diesem Grunde hatte ich eine ausrangierte Motorölflasche dabei: 1 Liter Gemisch 1:50. Die kippten wir vorsichtig in seinen Tank, und nach ein paarmal Kicken lief sie wieder. Und ging sogleich wieder aus. Benzinschlauch entlüften, meine ich. Wir entlüfteten so gut es mit dem fast leeren Tank eben ging. Danach lief der Vogel wieder einwandfrei.


    Ich überlegte, wie ich ihm den Weg zur nächsten Tankstelle erklären sollte. Ein Blick in den eigenen Tank gab mir ebenfalls Anlaß zur Sorge: hallo Echooo!, auch nicht mehr viel drin. Ob ich es wohl noch bis nach Creußen schaffen würde? Dort war die nächste Tankstelle in Richtung Süden.


    "Komm," sagte ich, "ich fahr mit zur Tanke nach Bayreuth".


    Wir schafften es ohne Probleme bis zur Esso-Tankstelle an der Nürnberger Straße. Die hatte mir schon mit Schaukelpferdchen das Leben gerettet, ich war damals auch mit leerem Tank in Bayreuth liegengeblieben. Ich hatte die Tankanzeige ignoriert und wollte einfach mal ausprobieren, wie das ist, wenn der Tank leer ist. Ich hatte zwar auch damals einen Liter Sprit in Reserve, mußte aber feststellen, daß Schaukelpferdchen die Annahme verweigerte und einfach nicht anspringen wollte. Erst nach längerem Schieben und gutem Zureden ging es dann wieder.


    Als ob wir dort an der Tankstelle nichts Wichtigeres zu tun hätten, versuchte nun ein älterer Herr, uns in eine Diskussion zu verwickeln, wie er wohl am besten von Bayreuth aus nach Pottenstein käme.


    "Nunja," überlegte ich, "der einfachste Weg wäre über Pegnitz..."


    Nein, meinte er, das sei doch ein Umweg.


    "OK, also ich würde am Röhrensee Richtung Fränkische Schweiz abbiegen, dann über Gesees nach Trockau."


    Aber das läge ja auch abseits, korrigierte er mich.


    Allmählich fing er an, mir auf die Nerven zu gehen. 'Du Depp', dachte ich mir, 'wenn du alles besser weißt, warum fragst du dann? Fahr doch wie du willst. Soll ich hier den Fremdenführer für Autofahrer machen?'


    Ich versuchte trotzdem, höflich zu bleiben: "Tut mir leid, dann kann ich wohl nicht helfen. Ich komme selbst nicht aus Bayreuth und bin die Strecke von hier nach Pottenstein noch nie gefahren."


    Das sei nicht schlimm, meinte Herr Besserwisser, er käme schon klar. Er werde einfach aufs Geratewohl losfahren. Setzte sich in sein Auto (ich hätte schwören können, es war ein BMW) und entschwand.


    Der Schwalbefahrer mit dem fast leeren Tank konnte sich das Grinsen nicht verkneifen. "Komm", meinte er, "laß uns tanken und die Zapfsäule räumen, sonst fragt uns der nächste nach dem Weg."


    Gemisch gab es dort nicht, also selber mischen. Für geschätzte 3 Liter Sprit erst einmal 60 ml Öl vorab in den Tank. Dann den Sprit tanken, damit sich das Zeugs schon gleich beim Einfüllen durchmischt. Aus den geschätzten drei Litern wurden 5. Also nochmals 40 ml Öl obendrauf. Tank zu, den ganzen Vogel etwas schütteln. Fertig. Nunja, Schaukelpferdchen hat Getrenntschmierung, da ist das Tanken wesentlich einfacher. Aber wäre ich mit Schaukelpferdchen unterwegs gewesen, hätte ich kein Gemisch dabei gehabt und hätte hier nicht helfen können.


    Nachdem wir getankt hatten, erzählte ich ihm vom Schwalbennest ( Schwalbenvirus: hattest Du nicht in Suhl die Aufkleber http://www.schwalbennest.de dabei? Jetzt könnte ich welche gebrauchen.), dem Forum, dem Chat, der unerschöpflichen Informationsquelle und den vielen netten Leuten, die man unter den Simsonisten so antrifft. Ich hoffe mal, er läßt sich im Chat blicken. Wenn nicht, wäre es schade, er machte einen recht sympathischen Eindruck.


    Ansonsten wünsche ich ihm (und allen anderen Simsonisten) allzeit gute Fahrt. Und immer eine Handbreit Sprit im Tank :)

    Variomatik ist geil. Schaltung ist geiler!

  • Hallo Ivanhoe,


    das ist eine nette Reisegeschichte, gefällt mir sehr gut und finde es Klasse das du so hilfsbereit bist!!
    Das müssten viel mehr Leute sein.

  • Hy!
    @ Ivanhoe... du musst definitiv öfter verreisen und die Berichte hier posten ;) Respekt .. Extra .. Gold .. !


    Quote: "Nachdem wir getankt hatten, erzählte ich ihm vom Schwalbennest ( Schwalbenvirus: hattest Du nicht in Suhl die Aufkleber http://www.schwalbennest.de dabei? Jetzt könnte ich welche gebrauchen.)"


    jo hatte ich, abba Opi hat die letzten ca. 10 Stück bekommen (von Anfangs 100 Stück!) .. werde die Tage mal ein paar hundert neue in Auftrag geben :D und in Suhl 2006 verteilen ..


    @ Pater ... ich hab mir grad noch ne Schwalbe gekauft >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>OH MEIN GOTT !!!<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<


    MFG der Viruss

  • Zitat


    Original von ivanhoe:
    Ist eine Fahrt nach Bayreuth eine Reise? Von mir sind es nur etwa 25 km, andere fahren eine solche Strecke täglich zur Arbeit.

    - jo! ;)
    - Touren fangen bei 50km an.
    - die 60km bis München sind für mich aber auch nur noch 'n "Ausflug"... ;)


    Zitat


    Original von ivanhoe:
    Fahren? Was ich recht bald gelernt habe, ist, daß man mit einer Schwalbe nicht fährt. Man schwebt etwa eine Handbreit über dem Asphalt. So zumindest kommt es mir vor, mir, dem Automatikfahrer, der mit einem kleinrädrigen Roller "großgeworden" ist. Dieser SRA 50 quittiert jede Bodenunebenheit mit einem kleinen Bocksprung und durchquert jedes Schlagloch mit lautem Kawumm. Die Schwalbe hingegen hat ein Vollschwingenfahrwerk und lässt sich von Bodenrillen, Schlaglöchern und Kanaldeckeln nicht im mindesten aus der Ruhe bringen. Ich werde mir also beim Schwalbefahren den Kanaldeckelslalom abgewöhnen müssen. Wozu auch? Schnurgeradeaus heißt die Devise!

    - da hast Du meine Schwalbe nicht kennengelernt! ;)
    - Bremsen und Spurtreue?
    - davon hatte sie vielleicht irgendwann - in ihrem damals schon etwas längerem leben - mal schon gehört. :D


    aber vielleicht lag das ja auch nur daran, dass ich damals von der Vespa auf Simson umgestiegen bin und parallel dazu ja auch noch 'n SR50 hatte. ;)


    Zitat


    Original von ivanhoe:
    Anfahren, raufschalten, weiter beschleunigen, abbremsen, gleichzeitig runterschalten, anhalten, den Motor auf Drehzahl zu halten, damit hatte ich alle Hände voll zu tun. Nüchtern betrachtet ist der SRA 50, mein "Schaukelpferdchen" für den Stadtverkehr besser geeignet. Durch die Variomatik läuft der Motor stets nahe am Optimum und entwickelt ein Durchzugsvermögen, das die Schwalben mit Schaltgetriebe nicht bringen können. Da kann ich zumindest in der Stadt mit den Autos locker mithalten. Mit der Schwalbe ist das etwas schwieriger. Diese variomatische Beschleunigung bringt eine Dreigang-Schwalbe nicht zustande. Ich bin zwar kein ausgesprochenes Hindernis, aber etwas mehr Durchzug dürfte schon sein. Nunja, vielleicht muß ich einfach noch ein bißchen üben.

    - das würd' ich eben auch meinen. ;)


    Zitat


    Original von ivanhoe:
    Gemisch gab es dort nicht, also selber mischen.

    - na was denn auch sonst?


    Zitat


    Original von ivanhoe:
    Für geschätzte 3 Liter Sprit erst einmal 60 ml Öl vorab in den Tank. Dann den Sprit tanken, damit sich das Zeugs schon gleich beim Einfüllen durchmischt. Aus den geschätzten drei Litern wurden 5. Also nochmals 40 ml Öl obendrauf. Tank zu, den ganzen Vogel etwas schütteln. Fertig.

    - warum denn so kompliziert?
    das ist das Verfahren, wenn man gewöhnliches Motoröl (für 4takter) tankt.
    2T-Öl ist doch selbstmischend.
    - da braucht's mindestens 6 monate absoluten Stillstand, damit sich da vielleicht mal was "entmischt".
    im Betrieb sollten eigentlich schon die Erschütterungen vom Kickstart für eine ausreichend homogene durchmischung sorgen.


    Zitat


    Original von ivanhoe:
    Nunja, Schaukelpferdchen hat Getrenntschmierung, da ist das Tanken wesentlich einfacher. Aber wäre ich mit Schaukelpferdchen unterwegs gewesen, hätte ich kein Gemisch dabei gehabt und hätte hier nicht helfen können.

    - wozu fertiges gemisch?
    - öl hat man doch immer dabei! ;)



    trotzdem 'ne nette geschichte... ;)


  • Du bist ein toller Hecht ... ob Du auch in normalen Gesprächen deinen klugen Senf zu allem dazugibst?


    Manchmal hilft es vom hohen Ross herunterzusteigen ... von oben herab klingt immer gleich negativ, auch wenns vll. nur gut gemeint ist.

  • Zitat


    Original von Pflaume:
    Manchmal hilft es vom hohen Ross herunterzusteigen ... von oben herab klingt immer gleich negativ, auch wenns vll. nur gut gemeint ist.

    - sorry, wenn's so rüberkam...


    bin zur Zeit etwas schlecht zu sprechen auf die "Supertourer", die für 'ne spontane Ausfahrt immer nur entweder keine Zeit haben, denen das wetter zu schlecht ist oder deren bock mal wieder irgendwelche probleme hat. :rolleyes:


    und irgendwie möcht' ich mich eben auch von diesen Kiddies abgrenzen, für die der "Scoot" mehr Statussymbol oder teures Spielzeug ist, als ein echter Gebrauchsgegenstand.
    (2000EURo "is doch günstig!", aber Angst, dass bei 'nem 30km-ausflug der Sprit nicht reicht, oder sonstwas kaputt gehen könnte. :rolleyes: )


    und ich staune eben, dass zählebige Gerüchte - wie das Entmischen von Öl und Benzin - noch immer am Leben erhalten werden, obwohl sie sich vor 20Jahren - zumindest im Westen - schon in den Bereich der Legenden und Sagen zurückgezogen haben sollten. :rolleyes:
    (aber auch hier gibt's leute, die Schütteln ihren Scoot mit Getrennt-Schmierung, weil sie das eben irgendwann mal so gelernt haben. :D
    - naja, 'n Schaden isses ja auch nicht. :D)


    ich habe aber auch gehört, dass, speziell im Osten, gern mit Motor-Öl improvisiert wurde.
    (und da macht Schütteln wieder Sinn, obwohl mir nicht ganz klar ist, warum dieses Öl im Benzin nicht gelöst wird? ?(
    - aber einer meiner Trabbis ist auf diese Weise gestorben. :rolleyes: )
    zumal das Vertrauen in das 2T-Öl des staatlichen Öl-Konzerns nicht besonders hoch gewesen sein soll (wofür angeblich aber gar kein Grund bestand ;)).


    bei der Qualität heutiger Öle sollte man doch aber eher über 1:100 als über 1:25 nachdenken... :rolleyes:
    um sich aber an seinen persönlichen Mix anpirschen zu können, sollte man die Öl-Sorte selbst auswählen und die Öl-Menge selbst festlegen können.
    - und das geht eben nur beim "selber Mischen".

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