Achtung, lang!
Die WEST-OST-TOUR
Mittwoch morgen, 5 Uhr:
Der Wecker reisst mich aus meinen Träumen und sofort sitze ich hellwach im Bette. Noch eine Stunde, dann geht´s mit meiner kleinen DR auf nach Sachsen, in die Heimat!
460 km Luftlinie. Da ich leider nicht Luftlinie fahren konnte, rechnete ich mit 600 km. Für die Fahrt hatte ich 7-10 Stunden eingerechnet, ich fuhr ja fast nur über die Dörfer. Also gleich früh bei Sonnenaufgang los, damit ich am Nachmittag gegen spätestens 16 Uhr ankommen konnte. Daß ich erst um 20.30 Uhr ankommen sollte, hab ich da zum Glück noch nicht gewußt, sonst wär ich wohl gar nicht erst losgefahren.
Also los, Gepäckrolle auf die DR geschnallt, BW-Rucksack mit dem Reservekanister oben drauf(bei 7Litern Tankinhalt konnten 5Liter extra nicht schaden) umgeschnallt. Eine Liste der zu durchfahrenden Orte auf dem Tank sollte mir beim Orientieren helfen. Dann beim Aufsitzen gleich das 1. Problem: Wie komm ich auf den Bock rauf? Bein übers Heck schwingen ging ja nicht mehr. Irgendwie reinfädeln und fertig. Gut, daß das keiner gesehen hat. Die DR sprang beim 1. Kick an und blubberte fröhlich vor sich hin. Zur Tanke und dann gleich auf die Autobahn. Reichlich ungewohnt mit all dem Gepäck auf dem Bock. Die Autobahn war schön leer und es war eisigkalt (trotz 3 langer Unterhosen, Jeans, Knieschützern, 4 T-Shirts, 2 Pullover und der dickgefütterten Jacke fror ich nach 5 Minuten). Knapp 150 völlig unspektakuläre Kilometer, der Motor kommt kaum über 50 Grad hinaus. Grad mal von der Dosenbahn runter, im Rothaargebirge, treffe ich auf eine Nebelwand, Sicht maximal 30m. "Na toll, wenn das so weitergeht, bin ich in drei Tagen noch nicht da...".
Die Strecke ist allerdings sehr schön, viele Serpentinen, kaum Fahrzeuge auf der Strecke. Der Nebel war schnell verschwunden, dann wurde es zu einer reinen Genusstour. Bis nach "Morschen" sollte das auch so bleiben, ich hab mich regelrecht einsam gefühlt. Stundenlang kaum ein Auto, herrlich!
Die Dörfer ziehen an mir vorbei, genauer, ich ziehe durch sie hindurch, Ortseingang, kurzer Vergleich mit der Liste, Gas weg, Ortsausgang, "Listenblick", Gas und so weiter. So etwas wie Routine schleicht sich ein. Einige Orte finde ich nicht auf Anhieb, hier schaue ich kurz auf die Karte oder frage ein paar einsame Passanten und finde mich recht schnell wieder. Irgenwann bei "Borken" merke ich, wie sich die Strecke immer mehr zieht, die Liste wird und wird nicht kürzer, meine Motivation geht langsam in den Keller.
Dann "Ostheim". Dieses verfluchte Nest war einfach nicht aufzutreiben. Ich fuhr zurück, weiter, schaute auf Wegweisern nach, landete in Dörfern, deren Name nichtmal auf der Karte zu finden war, nur Ostheim gab es nicht. Vom Erdboden verschlungen, weg, ausgelöscht. Jetzt war meine Laune auf dem Tiefpunkt. Aufgeben kam mir allerdings nicht in den Sinn, wie auch, mitten im Nirgendwo, ziemlich genau auf halber Strecke.
An einer kleinen Kreuzung mit 2 Wegweisern hielt ich dann an, um mal Pause zu machen und nochmals auf der Karte nachzuschauen. Alle Namen auf den Wegweisern waren nicht auf der Karte zu finden, trotzdem wurde ich ruhiger. Nochmals schaute ich auf die Wegweiser. "Ostheim", 2km, ganz winzigklein duckt es sich auf dem Wegweiser. Na bitte! Damit war meine Motivation wieder voll da. Die DR angekickt(wie immer sprang sie auf den 1. Kick an) und weiter ging die Fahrt.
Danach kamen einige entspannende Kilometer auf Bundesstraßen, endlich mal ein wenig Strecke machen...
In Mühlhausen ging es dann endgültig auf die Bundesstraße, viel mehr Dörfer hätte ich eh nicht sehen wollen.
Trotzdem zieht sich die Fahrt, mein Sitzfleisch schmerzt, der Sprit geht auch mal wieder zur Neige.
Weißenfels, das heimische Bett ist nun fast in Reichweite, nur noch Lützen, Markranstädt, Markkleeberg und Liebertwolkwitz.
Denkste! Markkleeberg läßt mich nicht raus. Kein Weg scheint nach Hause zu führen, das Befragen von Passanten zwecklos, deren Ampeln stehn nicht dort, wo sie sollten.
Zuhause angerufen, wohin ich denn nun fahren soll. "Wachau" war die Antwort, zufällig als weißes Schild auf einer rieseigen Schildertafel zu finden.
Kurz vor Beucha dann noch eine Ehrenrunde gedreht(peinlich, wenn man sich 5km von zu Hause verfährt und dann war ich endlich da! 14 Stunden hab ich gebraucht und bin dabei rund 750km gefahren.
Donnerstag:
Die Nacht war dann auch viel zu schnell vorbei, denn am nächsten Morgen hieß es wieder um 6 Uhr: Aufstehen!
Jetzt sollte der letzte und entscheidende Weg gefahren werden, Richtung Weißwasser, Franz besuchen, und vor allem eins: Crossen!!!
Diesmal wollte ich allerdings den besten Weg nehmen: Die Autobahn. Kurz nach Dresden dann in Ruhland rausgefahren und ab dann wieder 100km Bundesstraße. Je weiter ich fuhr, umso mehr konnte ich von der "unberührten Crossnatur" am Wegesrand erahnen und meine Vorfreude wurde immer größer. Dann Weißwasser, mein Ziel!
Bei Franz dann erstmal die DR vom Gepäck befreit und gleich nach Polen Tanken gefahren, 83 Cent pro Liter Super ist ja den kurzen Weg wert, zumal wir noch genügend Reservekanister dabei hatten. Auf dem Rückweg sind wir dann direkt zu Franzs Werkstatt gefahren, um den Hinterreifen der DR noch schnell(!) zu wechseln.
Der Mantel des alten Reifens war reichlich hartnäckig, es war immerhin noch die Erstbereifung(denke ich). Dann den alten, aber noch guten Mitas drauf und aufpumpen. Es kam, wie es kommen musste: "Pfffffffft", der Reifen hielt seine Luft nicht lange.
Also alles wieder raus (wir waren richtig sauer) und erstmal den Schaden begutachten. Hier musste ein neuer Schlauch her, die Quetschkante war recht groß und am Ventil sah es auch nicht gut aus. Also wollten wir schnell noch einen neuen Schlauch besorgen, den es natürlich nicht gab, und so mussten wir uns mit Fahrradflickzeug aus dem Baumarkt zufrieden geben.
Als der Reifen dann endlich drauf war, machten wir schnell wieder los um die KTM zu holen. Franz meinte nur trocken, das Ankicken kann ´ne Viertelstunde dauern, ich könnte mir also Zeit lassen mit dem Anziehen der Crossklamotten (Heißt ja nicht umsonst "kick ten minutes").
Die KTM sprang auch natürlich nicht an, es kam kein Funke. Nach ein par Minuten stellte sich der Killschalter als Wurzel allen Kickübels heraus und wir legten ihn mit einer innovativen Holz-Schaumstoff-Lösung außer Funktion und prompt sprang die KTM nach etwa 5 Kicks auch an.
Dann ging es endlich los.
Nach ein paar Metern auf einem Sandweg wußte ich schon, daß ich an diesem Nachmittag noch richtig viel Staub schlucken würde, Franzs Bock wirbelte echt viel davon auf
Und so ging es dann los, erstmal rum um Garagenkomplexe, rauf auf Waldwege, quer durch den Wald und dann waren wir auch schon schon mittendrin, im Tagebau. Ich immer hinter Franz her, meist sah ich nur noch die Staubwolke, nach der ich mich richten konnte.
Im Tagebau ging es Schlag auf Schlag, mit Vollgas durch Schotterpisten, mit Vollgas über Sand, und immer wieder die Staubwolke der KTM vor mir. Berge runter, Berge rauf, und immer mit viel Speed, die 70 wurden nur selten unterschritten.
Jaaa, das ist Endurofahrn!!
An einer Stelle fuhr Franz links von mir auf einer Panzerstraße lang, während ich rechts daneben einen Feldweg befuhr. Ich fuhr so mit 70-80 und konnte immer wieder einen Blick auf die KTM ergattern, die hüpfte, einfederte und schaukelte, während sie immer auf meiner Höhe blieb. Ein wunderschöner Anblick, hätte ich gerne auf Video festgehalten!
Dann kam ein kleiner Berg, DER Berg, an dem die KTM ihr Leben aushauchte. Franz fuhr vor und sah von oben zu wie ich beim 1. Versuch auf halber Höhe steckenblieb, Bin halt Anfänger. Dann kam er langsam runtergerollt um mir zu helfen. Plötzlich, ohne Vorwarnung *zisch,qualm* und der Motor der KTM war überall mit Öl besudelt, es schoß runter in den Sand und bildete dort einen großen Fleck."SCHEISSE!", das wars, Ende Gelände, im wahrsten Sinne des Wortes...
Nach den obligatorischen Flüchen haben wir uns dann über unser weiteres Vorgehen beraten. Knapp 30 km weit sind wir gekommen, die KTM stand auf halber Höhe an einem Berg und der Handyempfang war fast null. Als erstes hat Franz seine Mutter angerufen, um irgendwie Hilfe zu organisieren, dann mussten wir den toten Bock den Berg hochwuchten, was wir dann auch irgendwie schafften. Ich hab die DR noch hochgefahren, es hat gleich geklappt, aber so richtig freuen konnte ich mich nicht. Als nächstes hab ich ein Abschleppseil organisiert, in einem verlassenen Industriegebäude hab ich ein Kabel von der Wand gerissen und mit einer Glasscherbe á la McGyver abgesäbelt(warum hatte ich kein Messer dabei?). Die nachfolgenden 2km Abschleppen im 1. und 2. Gang waren recht langweilig, Franz hat dabei sogar noch telefoniert . Mittels eines Transporters wurde dann die tote Möhre weggefahren, und damit hatte sich das eigentliche Crossen erledigt...
Am nächsten Tag hat mir Franz noch ein paar Stellen gezeigt, an denen ich mich ein wenig austoben konnte, während er mit der Digitalkamera ein paar Fotos gemacht hat. An einer Stelle an einem Berg (den ich mal wieder nicht hochkam) wollte Franz halt auch mal die DR testen, und ich sollte sie ihm ankicken.
Und dann ging es ab. Der Bock, der, seit ich ihn habe, immer (auch nach tagelangem Stehen) spätestens auf den 5. Kick ansprang, ging nicht an. Ich kickte und kickte und kickte und... überprüfte den Killschalter(Killschalter sind ja nun als des Teufels Gesellen bekannt), der is ok. Ich ließ den Sprit ab, "pumpte" Luft in den Zylinder, und ich kickte und kickte und kickte wieder...
Erste Spekulationen querten unsere Hirne: Sollten es die gefürchteten Dampfblasen sein? Diese seltsamen Erscheinungen, deren Auftauchen ähnlich legendär war wie Kardanwheelies und Ausserirdische? Oder wollte der Bock nur nicht von dem Mann gefahren werden, der den Tag zuvor die KTM getötet hatte und der weitere 2 Crosser-Motoren auf dem Gewissen hatte?
Reine Existenzangst der DR?
Wenn ja, dann muß sie jedenfalls irgendwann von Franzs Unschuld überzeugt gewesen sein, denn sie lief nach einer halben Stunde wieder, und Franz stieg auf den Bock und fuhr damit rum. 2 Mal ging sie ihm aus und er bekam sie sofort wieder an. Sein Kommentar: "Viel zu weich, wie eine Sänfte und keine Leistung"...Verwöhntes KTM-Pack! ;-]
Auf einem Plateau drehte ich dann später auch noch einige Runden im Sand, und konnte so auch mal in Ruhe ein wenig driften üben. Später fuhr Franz nochmal die DR und wieder war sein Urteil vernichtend: "So weich, da hat man gar kein Gefühl für den Boden, und die fehlende Leistung ist wirklich grauenhaft"...Pah, Dafür hält der Motor länger! ;-P
Irgendwann ging auch der Freitag-vormittag zur Neige und ich mußte mich schweren Herzens von Franz und der genialsten Cross-Strecke der Welt verabschieden, um den Heimweg anzutreten. Auf der Autobahn kurz vor Dresden fuhr ich dann ein ganzes Stückchen hinter ein paar Emmen her (eine 250er ETZ, und 2 ES). Alle freundlich gegrüßt und dann mußte ich auch schon weiter, sie waren mir dann doch einen Tick zu langsam.
Zuhause angekommen, hatte ich erstmal einen Tag Ruhe, bevor ich wieder nach Aachen zurückmusste. Am Sonntag dann, eine neue Route mit Bundesstraßen und Autobahn war geplant, zurrte ich mit meinem Vater das Gepäck fest, diesmal packten wir den Kanister hinten an die Gepäckrolle. Dann losgefahren zur Tanke, alles befüllt und Richtung Autobahn. Ein paar Meter vor der Auffahrt wollte ich nochmal anhalten, um die Jacke richtig zuzumachen. Als ich wieder losfahren wollte, spürte ich ein extremes Jucken am Kopf, welches mich ganz wuschig machte. Also nochmal Handschuhe aus und Helm ab. Als ich den Helm abhatte, störte mich was am Auspuffgeräusch, es klang etwas dumpfer.
Ich schaute nach hinten, "VERDAMMT!", und riss den vollen 5l-Kanister weg, der sich gelöst hatte und genau am Auspuff hing. Der Großteil der Wandung war weggeschmolzen und klebte am Auspuff. Viel war nicht mehr übrig, ein paar Sekunden später und es wäre wohl richtig böse ausgegangen. Hätte ich der Sprit entzündet? Wahrscheinlich eher nicht, aber was wäre gewesen, wenn doch? Was, wenn ich nicht den Helm abgenommen hätte? War das Zufall?...
Der Rest der Fahrt war langweilig. Als ich dann kurz hinter Düren den Regen roch, wußte ich: Ja, ich bin wieder in Aachen. Kurz danach war ich patschnass... Trotzdem konnte ich es nicht lassen und fuhr nochmal in den Tagebau in Inden rein, ich konnt einfach nicht mehr vorbeifahren
Insgesamt hab ich rund 1900 km zurückgelegt, dabei rund 85 liter Benzin durch den Vergaser gejagt und währenddessen 30 Stunden auf dem Bock zugebracht.
Noch lange keine Weltreise, aber die Richtung stimmte schon.
Nächstes Jahr bin ich wieder in Weißwasser, komme was wolle!
PS: Das Nicht-Anspringen wollen auf dem Berg führe ich inszwischen auf folgendes zurück: Das Schwimmernadelventil scheint nicht mehr ganz dicht zu halten und damit den Vergaser zu überfluten... Daher war wohl auch das ständige Kicken notwendig, um den Brennraum leer zu bekommen. Einfach abgesoffen...
PPS: Am Abend nach dem Tod der KTM bekam ich von Franz mal die Gelegenheit, einen Blick ins Moderatorenboard zu werfen! Was dort abgeht, ist unfassbar! Da wird abgelästert, Verschwörungen geschmiedet, und die Weltherrschaft wird auch noch geplant. Unglaubliche Grausamkeiten der Forumsgeschichte nehmen ihren Anfang immer in diesem geheimen Bunker. Jeder kleine Serverfehler, alle Forumsabstürze, alles wurde von diesen genialen, teuflischen Hirnen dahinter bis ins kleinste Detail geplant. Erinnert ihr euch an den großen Stromausfall in den USA und Kanada? Der Ausgangsort war das Schwalbennest, das Modi-Board, dieses Nest des Bösen...
PPPS: Ich habe auf meiner Fahrt alle Simsonfahrer gegrüßt, die mir entgegengekommen sind. Nur einer hat freundlich zurückgewinkt, ein großer, schwerer, breiter Mann auf einer kleinen, blauen Schwalbe. Das wird doch nicht Simmiopi...??
Tschau,
Richy