Braunkohlenveredungsbetriebe "live" Erfahrungen gesucht

  • Guten Tag,


    Ich muss fächerübergreifend in Chemie und Geschichte-/Gemeinschaftskunde einen Vortrag über die Braunkohlenveredelung in der DDR halten.
    Die chemische Seite ist kein Problem Hydrierungs-, Spalt- und Additionsreaktionen kann ich im Schlaf genauso die verwendete Technik (Bergius-Verfahren, Fischer-Tropsch-Synthese, Verschwelung, etc.)
    Aber an den Auswirkungen auf Umwelt und Geselschaft fehlt es ;)
    Klar ist die Veredelungstechnik keine Blümchenziehen aber was von so manchen Leuten gesagt wird (z.B. keine 50m Sichtweite, alle Bäume ohne Blätter) halte ich für sehr übertrieben.


    Gibt es also hier im Forum Personen die in der Nähe eines solchen Betriebes gewohnt habe und dort sogar u.U. dort gearbeitet haben?
    Intetesant wären:
    - der VEB BKK Espenhain
    - der VEB Braunkohlenveredelung Schwarze Pumpe
    - das Hydrierwerk Zeitz
    -der Betrieb in Böhlen
    - der VEB Leuna
    - der Betrieb Lauchhammer


    fals es ein anderer Betrieb wird ist das auch nicht schlimm.


    Und mir ihre Erfahrungen mitteilen wollen?


    Vielen Dank für eure Beteiligung!


    Viele Grüße


    Bremsbacke

    • Offizieller Beitrag

    Moin Bremsbacke


    Ich bin in Merseburg aufgewachsen. Das liegt zwischen Buna = Plaste und Elaste aus Schkopau (im Norden) und Leuna (im Süden). Wenn man Merseburg/Süd verlies, stand man praktisch schon am Zaun der Leuna-Werke. Ich kann zu Leuna sagen: die Gerüche waren schwefelartig penetrant, beschränkten sich aber auf das nähere Umfeld. Die Luftverschmutzung hingegen war allgegenwärtig und weitreichend. Die unter 50m Sicht und Bäume ohne Blätter kann ich nicht bestätigen, aber Schnee war nur am ersten Tag weiß.


    Passend zum Thema vielleicht interessant für Dich ist ein späterer Wohnort - Braunsbedra. Dort befand sich am Ortsrand ein kleinerer Betrieb, der Braunkohlen-Briketts (REKORD) gepresst hat. Mir wurde dieser Umstand alle zwei Wochen beim Abfegen der Fensterbretter bewusst.
    Ich konnte von den ca. 2 Quadratmetern jeweils etwa eine Streichholzschachtel voll Kohlenstaub "gewinnen".
    > ;) Mann, war ich froh, keine Terasse zu haben. ;) <


    LG Kai d:)

    • Offizieller Beitrag

    Ich glaub, dass man grad in den den großen Chemiezentren (Leuna/Buna, Schwarze Pumpe, etc.) schlecht unterscheiden konnte, wie viel von der Umweltbelastung nun auf welchen Verursacher zurückgeführt werden konnte. Die Braunkohleverdelung fand mittendrin statt und hatte ihren Anteil. Dazu noch der ganze "private" Dreck von Kohlefeuerung und Zweitaktabgas - und schon hatte man eine herrliche Dunstglocke.


    Offizielle Zahlen sind schwer zu bekommen, da vieles, was Umweltverschmutzung und Gesundheitsgefahren betraf, bis kurz vor dem Ende der DDR fast wie ein Staatsgeheimnis behandelt und dementsprechend kaum an die Öffentlichkeit getragen wurde.


    Es gibt übrigens viele hübsche Videos aus der DDR auf Youtube, die diesen allgegenwärtigen Dunst zeigen, selbst wenn sie gar nix mit der Chemie als solches zu tun haben. ;)

    • Offizieller Beitrag

    Etwas über 20 Jahre Merseburg haben mich gelehrt:
    Die Farbe dessen was sich auf Oberflächen ablagerte,
    war ein guter Indikator um auf den Verursacher zu schliessen.
    Kam der Wind von Norden (also Buna) war der "Dreck" grau.
    Kam der Wind von Süd war die Färbung eher gelblich-grün.
    Bei Ost oder Westwind wars dann nur schwarz.
    (Der von Ralf erwähnte "private" Dreck)
    Ein weiterer Unterschied war die Konsistenz.
    Der Dreck aus Buna war staubtrocken,
    der aus Leuna eher leicht ölig/schmierig.

  • Danke Kai für deine Erfahrungen.
    Ich behaupte mal das der graue Staub aus Schkopau bei dir Flugasche war, die aus den Kraftwerken rund um Schkopau kam.


    Das mit der Richtung lässt sich bei uns immer noch gut feststellen.
    Im Nachbarort steht eine Zuckerfabrik der Südzucker AG, jetzt wo Kampagne ist riecht man es über all im Ort.
    Das ist zwar sehr penetrant aber man gewöhnt sich daran, auserdem riecht man es nur bei schönem Wetter.
    Bei schlechtem Wetter zieht die dicke weise Wasserdampfwolke aus dem Schlot der Zuckerfabrik in den gegenübeiegenden Ort.
    Wer das selber richen mag, schnappt sich eine Zuckerrübe (vorher aber den LW fragen) schnippelt sie klein und kocht dann die Schnipsel kräftig in Wasser, während man daneben etwas Zucker karamelisiert/verkohlt.


    Kai71
    war denn der Schmutz aus Leune wirklich gelbgrün (wie so ein grüner Paprika)?
    Oder eher grau-grün mit gelbstich?
    Hat die Schmiere nach was gerochen?


    Viele Grüße


    Bremsbacke

    • Offizieller Beitrag



    Ja, tatsächlich war die Grundfärbung grau mit einem gelblich-grünen Stich.
    Ich glaube, mich an einen Geruch nach faulen Eiern zu erinnern.

    Beim Buna-grau war ich immer der Annahme,
    das ein großer Teil auf die Karbidproduktion zurückfiele.

    So richtig farbenfroh (wie z.B. Paprika) waren die teils in die Klia
    geleiteten Abwässer aus Buna. Ich war in meiner Jugend in der
    GST-Tauchsportgruppe und deshalb zweimal pro Woche in Schkopau.
    Dabei musste ich auch das kleine Flüßchen Klia queren,
    das hatte jedesmal eine andere Farbe.

    LG Kai

  • Schau mal hier nach: BV Espenahin, über die Seite bekommst Du bestimmt Kontakt zu ehemaligen Mitarbeitern.


    Hier noch ein Filmchen das die damalige Situation in Espenhain zeigt: KLICK


    Interessanter Kanal zum Thema Filme


    Ansonsten lohnt es sich die Havemann-Gesellschaft zu kontaktieren, die habe ein riesiges Archiv zum Thema Umweltverschmutzung, Opposition, etc.


    Viel Erfolg!

  • Hi,


    Ob es auch Videos von BASF, BAYER u.s.w. bei YouTube zu sehen sind?


    Welche Anlagen und Prozesse wäre möglich gewesen um die Umweltbelastung
    zu reduzieren?


    Eine Veränderung zur bereitstellung von Gas war in Berlin z.B. das abschalten der
    Gaskokerei und die Umstellung auf Erdgas.



    solong...

  • Zitat von falk205

    Welche Anlagen und Prozesse wäre möglich gewesen um die Umweltbelastung
    zu reduzieren?


    Man hat in Espenhain, die Temperatur zur Trocknung der Kohle von 180°C auf knapp 300°C hochgestetzt um den Durchsatzt zu erhöhen.
    Blöd nur das die Kohle ab rund 200°C zu schwelen beginnt und der Abdampf (bei 180°C ist das ja auch fast nur Wasserdampf) somit auch die Schwelprodukte in kleiner Höhe (40m) in die Umwelt abgegeben werden.


    Die Schwelprodukte bestehen aber Teeren, Amoniak, Schwefelwasserstoff, Kohlenwasserstoffen, und andere Dingen in kleineren Mengen.


    Man hätte in den Kraftwerken eine Rauchgasentschwefelung durchführen können und Elektro-/Schlauchfilter einbauen können.
    Hat man aber nicht, denn die Betriebe produzierten ja auch ohne Filter und Abfallbehandlung die selben Produkte wie mit den Anlagen zum Umweltschutz.


    Viele Grüße


    Bremsbacke

    • Offizieller Beitrag

    Man kann da natürlich nicht mit heutigen Maßstäben rangehen; auch im Westen war es vor drei Jahrzehnten noch dreckiger als heute und manche Technologien, die heute Standard sind, waren damals noch nicht verfügbar/verbreitet. Aber wenn ich z.B. höre, dass bei manchen Anlagen in Leuna nach dem Krieg die vorhandenen Filter von den Russen als Reparation demontiert und bis zum Ende der DDR nicht ersetzt wurden, bin ich schon der Meinung, dass man deutlich mehr zum Schutz von Umwelt und Gesundheit hätte tun können.

  • Hi,


    Was willste da Wissen?


    Das der Umgang mit Müll früher besonders lax gehandhabt wurde?
    Da flog der Schrott auch mal in den Wald oder dem Dorfteich, da wurde der Müll
    verbrannt um das Volumen zu reduzieren. Und das sah ich ersteinmal nur
    bei Privathaushalten. Was ist da anzunehmen, wie es in der Industrie aussehen
    soll. Geiz ist geil ist schon vor 40 Jahren aktuell gewesen.


    Was ich als Kind über den Umgang mit Müll gelernt hatte, hab ich auch in den Betrieben
    gesehen.
    Da wurde auch auf den Staat geschimpft wenn es den "Weißen Riesen" nicht beim
    Konsum oder HO gab. Die SED Kapitalisten wollten wohl nicht die billige Kohle
    an die Bevölkerung abgeben...
    Dabei war diese Kohle für Hausbrand nicht geeignet durch den hohen Schwefelanteil.
    Da gab es ein Verkaufsverbot an die Haushalte aus Umweltschutzgründen und auch,
    das die Schornsteine nicht zu schnell versotten.
    Aber da wurde lieber auf den Staat geschimpft als sich dem Umweltschutzgedanken
    zuzuwenden.


    Hat sich da mal was geändert??



    solong...

  • So.
    Vortrag gehalten, war eigentlich ganz gut.
    Mal sehen was da für eine Note rausspringt.


    Zitat von flak205

    Da flog der Schrott auch mal in den Wald oder dem Dorfteich


    Warum?
    Wenn ich wenig Eisenvorkommen im eigenen Land habe, dann guck ich doch das ich aus dem Müll der Bürger so viel Eisen wie möglich raushohle.


    Zitat von flak205

    Die SED Kapitalisten wollten wohl nicht die billige Kohle
    an die Bevölkerung abgeben...
    Dabei war diese Kohle für Hausbrand nicht geeignet durch den hohen Schwefelanteil.
    Da gab es ein Verkaufsverbot an die Haushalte aus Umweltschutzgründen und auch,
    das die Schornsteine nicht zu schnell versotten.


    Ja was jetzt? :D
    Kohle ab in den Hausbrand oder Verbot weil zu hoher Schwefelgehalt?


    Je höher der Schwefelgehalt desto günstiger die Kohle, aber desto schlechter ist auch deren Qualität.


    Viele Grüße


    Bremsbacke

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