Es gibt bereits einige Threads im Schwalbennest, die sich mit GPS-Navigation beschäftigen. Alle Lösungen setzen aber auf ein Smartphone oder die "Straßentante", also auf das Gerätchen mit der freundlichen Frauenstimme aus dem PKW.
Beide Lösungen haben einen oder mehrere entscheidende Nachteile:
- kurze Akkulaufzeiten von zwei bis vier Stunden
- 12 V-Anlage nötig oder Spannungsversorgung über die mir nicht vertrauenerweckende 6 V-Anlage
- fehlender Wetterschutz
- schlechte Bedienbarkeit mit Handschuhen
- das Kraftfahrstraßen-Problem (61 km/h...)
Hier wird eine Lösung vorgestellt, die sich auf rund 600 km im Praxistest in teilweise unbekanntem Gelände bewährt hat. Wer auf gesprochene Abbiegehinweise besteht, braucht nicht mehr weiter zu lesen. Das Fehlen gesprochener Ansagen wäre m.E. aber der einzige Kritikpunkt, den man dieser Lösung ankreiden könnte. Ich komme gut ohne aus.
Geräteauswahl
Outdoor-Handgeräte scheinen prädestiniert für den Einsatz auf der Schwalbe: Sie navigieren üblicherweise viele Stunden lang autark, bis die Batterien leer sind, können auch bei Sonnenlicht einwandfrei abgelesen werden und sind wettergeschützt. Außerdem gibt es im Zubehör Fahrradhalterungen und Geräte mit Tasten lassen sich mit Handschuhen bedienen. Und das Beste: Sie beherrschen meist auch Autorouting, also das Berechnen einer Strecke auf Straßen.
"Einspruch, Euer Ehren, der Autor ist befangen!" Ja, ist er. Seit 2003 setze ich verschiedene Outdoor-Handnavis ein und die Wahl fiel schnell auf mein aktuelles Garmin GPSmap62s. Über das Gerät kann man vorzüglich streiten und ich spreche mit diesem Praxistest wohlgemerkt keinen Kauftipp aus. Prinzipiell lassen sich meine Erfahrungen auf andere Geräte übertragen, zum Beispiel Garmin GPSmap60x, GPSmap72x, GPSmap76x oder GPSmap78, stark eingeschränkt auch auf die 60er und 72er ohne x. Und auf alle Simson-Modelle. Die Geräte der Etrex HCx-Reihe und die aktuellen Etrex sind wegen ihres kleinen Displays für die Schwalbe nicht geeignet und ich rate deshalb von Experimenten mit diesen Geräten auf der Schwalbe strikt ab.
Befestigung
Der anfänglich billige Eindruck der ebenfalls vorhandenen aktuellen Garmin-Fahrradhalterung drehte sich in einen Vorteil: Die kleine Plastikschale wird mit Kabelbindern zur Befestigung ausgeliefert. Also zwei längere Kabelbinder und den Seitenschneider aus der Bastellkiste gegriffen, die Halterung vom Fahrrad abgeknipst und am Schwalbenlenker angestrapst. Fertig.
Das Gerat wird in die Halteschale eingeschoben und sitzt dann bombenfest in ihr. Durch die Montageposition mittig auf dem Lenker liegt das Gerät gut im Blickfeld.
Karten und Geräteeinstellungen
Das GPSmap62 ist kompatibel zu allen Garmin-Karten. Aus dem zur Verfügung stehenden Fundus wurde die City Navigator Europe NT fürs Autorouting gewählt. Die Karten dieser Serie werden auch mit den Garmin-PKW-Navis vertrieben.
Ein erster Versuch geschah vorher mit der Karte Topo Deutschland 2010. Obwohl auch diese Karte autoroutingfähig ist, ging die Praxis damit voll in die Hose. Da das Gerät eine Karte fürs Routing benutzen und gleichzeitig eine andere anzeigen kann, blieb die Topo Deutschland 2010 aber im Speicher. Diese Option der getrennten Kartenanzeige und Routenberechnung ist je nach Gerät und Kartenkombination „einfach so“ bis „nur mit tiefgreifenden Tricks“ möglich. Ich zeige halt nur, was prinzipiell möglich ist.
Screenshots City Navigator und Topo Deutschland 2010
Die Route ist magenta, der blaue Rattenschwanz die gefahrene Strecke.
Mit den Geräteeinstellungen musste ich eine Zeit lang herumspielen, um herauszufinden, dass die Grundeinstellung "Motorrad" komischerweise keine gute Wahl ist. "Fahrrad" war noch abenteuerlicher, so dass nur noch "Auto" übrig blieb. Damit lief es dann aber auch gut.
Die detaillierten Einstellungen sieht man auf dem Bild. "Hauptverkehrsstraßen" ist übrigens nur eine miese Übersetzung. Garmin meint damit Kraftfahrstraßen. Sind Häkchen bei Autobahnen und "Hauptverkehrsstraßen" gesetzt, routet das Gerätchen nicht über diese Straßen - perfekt fürs Moped.
Los geht’s!
Der erste Eindruck ist recht gut. Das Display ist für den Einsatz an der Schwalbe ausreichend groß. Die Abbiegehinweise und Infos der Datenfelder lassen sich ebenfalls gut ablesen. Eines dieser Datenfelder sollte unbedingt die Entfernung zum nächsten Abbiegepunkt anzeigen. Dieses Feld sollte man dann auch im richtigen Moment im Auge behalten, sonst kommen schnell einige Umwege wegen falschen Abbiegens zusammen. Der Kartenaufbau geschieht bei allen getesteten Karten flüssig. Das war ob der niedrigen Geschwindigkeiten einer Schwalbe auch nicht anders zu erwarten. Mit der Einstellung „Autozoom ein“ wählt das Gerät automatisch den optimalen Kartenzoom bis zum nächsten Abbiegepunkt. Zusammen mit dem großen Pfeil auf der Karte behält man auch vor komplizierten Kreuzungen die Orientierung.
Autozoom Topo Deutschland 2010
Bedienung
Das GPSmap62 ist auf Einhandbedienung ausgelegt. Und auch wenn die ehemals vorbildliche Garmin-Bedienphilosophie heute nicht mehr so intuitiv und logisch ist wie vor einigen Jahren noch, lässt sich das Gerät trotzdem während der Fahrt gut bedienen. Die Handschuhe können dabei getrost an bleiben, denn die Tasten haben einen ausreichend großen Abstand zueinander und einen definierten Druckpunkt.
Während der ersten Testfahrt bin ich unvorhergesehen in die Dunkelheit geraten: Bei Nacht funktioniert die Navigation sogar noch besser als am Tage! Das Gerät war so eingestellt, dass die Displaybeleuchtung bei jedem Tastendruck 30 s lang nachleuchtet. Was mir selbst jetzt neu ist: In dieser Einstellung schaltet sich das Display automatisch etwa 1 km vor dem nächsten Abbiegen 30 s lang ein. Das plötzlich aufleuchtende Display macht ein Übersehen des Abbiegepunktes nahezu unmöglich. Jetzt kann man sich auf den nächsten ca. 500 m die Abbiegung schon mal grob angucken, bevor das Display zwischenzeitlich wieder dunkel wird. Kurz vor dem eigentlichen Abbiegen leuchtet das Display wieder auf und geht danach automatisch aus.
Die beleuchteten Tasten sind dagegen ein schlechter Witz. Ablesbarkeit nahe null. Also Finger von der Bedienung des Gerätchens im Dunkeln, wenn man die Tastenbelegungen noch nicht auswendig kennt.
Routenberechnung
Gemessen an der Geschwindigkeit einer Schwalbe erfolgen die Routenberechnung und Routenneuberechnung (z.B. nach falschem Abbiegen oder auf einer noch nicht verzeichneten Umgehungsstraße) in akzeptabler Geschwindigkeit. Allerdings muss gesagt werden, dass das Navigationsziel erfahrungsgemäß nicht weiter als etwa 120 km entfernt sein sollte. Je weiter das Ziel entfernt liegt, desto länger benötigt die Berechnung der Route. Bei Strecken über ca. 120 km empfiehlt sich deshalb das Einfügen von Zwischenpunkten. Die kann man entweder als Route eingeben und einfach dran lang fahren oder jeden Wegpunkt einzeln annavigieren und bei einer kurzen Pause die Route zum jeweils nächsten berechnen lassen.
Alle Straßentanten haben mittlerweile TMC oder Navteq Traffic (ehem. TMCpro), also die Umfahrung von Staus oder Sperrungen entsprechend der Verkehrsmeldungen. Das kann das GPSmap62 nicht. Das ist aber nur in seltenen Fällen entscheidend, denn das Gerätchen schickt einen bei richtiger Einstellung nicht über Autobahnen und Kraftfahrstraßen.
Fazit
Wie bei allen Navis ist die Route nicht immer der optimale Weg, den ein Ortskundiger wählen würde. Das Gerät bringt einen aber sicher und ohne große Umwege ans Ziel.
Für die Routenberechnung ist eine Straßenkarte die beste Wahl. Wer aber mehr Informationen über die Umgebung haben möchte (Höhenlinien, Geländebeschaffenheit, Gebäude, Feldwege…), verwendet eine topografische Karte wie in einigen der Screenshots. Im Falle einer Panne leistet so eine Karte aus eigener Erfahrung auch gute Dienste, wenn man zu Fuß ins nächste Dorf muss. Wie oft machen Landstraßen große Bögen zwischen Orten, während Wald- und Feldwege diese Orte nahezu in Luftlinie verbinden…
Fürs Fahrrad muss ich wohl bald eine neue Navihalterung besorgen. Denn die alte ist noch immer an der Schwalbe und wahrscheinlich wird sie auch dort bleiben, damit ich noch die eine oder andere GPS-geführte Tour fahren kann.