940km in 39h – Eine Roadstory

  • 940km in 39h – Eine Roadstory


    Was macht man, wenn man zum Bäcker um die Ecke geht? Man läuft. Was macht man, wenn man zum wöchentlichen Großeinkauf in das Einkaufszentrum am Stadtrand fährt? Man nimmt das Auto. Was macht man, wenn man ein Seminar in einer 450km-entfernten Rheinmetropole hat? Richtig. Man nimmt einen kleinen grünen Zweitakter, der sich mit seinen 3,7PS auf 60km/h beschleunigt.
    Natürlich wäre es auch möglich, diese Strecke in einem warmen, leisen ICE zurückzulegen, aber zum einen bezahlt man dann ungefähr das Doppelte, zum anderen sind 450km gar nicht so viel. Dachte ich.


    Das Seminar würde am Montag Nachmittag von 15:00 bis 18:00 Uhr stattfinden. Ich wusste, dass ich am Dienstag Abend einen Termin in Halle hatte und ich konnte erst Sonntag Mittag starten, weil ich am Samstag noch arbeiten musste. Den Start für Sonntag plante ich also für um 12. Mit einem Schnitt von 30km/h würde ich Köln gegen 22:00Uhr erreichen. Es ist Sonntag, ich wache auf. Ich blicke auf meine Uhr. Es ist 12:30. Okay, ich hatte großzügig geplant, also alles kein Problem. Ich packte die Taschen für meine Schwalbe. Kleidung, etwas zu trinken, das nötigste Werkzeug. Ich nahm auch einen Schlafsack mit. Zwar hatte ich in Köln Verwandschaft, aber ich war mir nun nicht mehr sicher, ob ich die Stadt vor Mitternacht erreichen würde. Für den Fall, dass ich es nicht schaffen sollte, würde ich schon einen Platz im Freien finden um ein paar Stunden zu schlafen. 14:00 Uhr fuhr ich los, der erste Stop nach 5 Minuten. Lufdruck prüfen. Weiter ging es, auf die B80, Richtung Lutherstadt Eisleben.


    Nach 20 Minuten fing es an zu regnen. Wie schön. Ich konnte noch schnell unter einem Baum halten und mir meine hoffentlich regenfeste Motorradkleidung anziehen. Ich hatte keine Zeit zu verlieren, also fuhr ich weiter. Da ich meinem Reifenprofil bei Regen nicht vertraue, fuhr ich besonders vorsichtig. Der Regen prasselte gegen meinen Helm, die Gischt der mich überholenden Autos verdreckte immer wieder mein Visier. Gemütlich war es nicht gerade. Egal. Weiter ging es über Sangerhausen und Nordhausen. Der monoton surrende Motor zwischen Meinen Füßen verrichtete ohne Probleme seine Arbeit. Es regnete immer noch. Meine Motorradkombi war zum Glück dicht, im Gegensatz zu meinen teuren Handschuhen. Beim ersten Tankstop war meine Haut schon ganz schrumpelig und außerdem war es furchtbar kalt. Auch meine Füße waren nicht trocken geblieben.


    Irgendwo auf einer kurvigen Landstraße zwischen Nordhausen und Kassel stand vor einer Kurve ein Warndreieck. Hinter der Kurve lag ein weißer BMW im Straßengraben. So eine Situation hatte ich schon einmal vor 3 Jahren erlebt. Damals war es ein roter BMW und der Fahrer war zwischen Mittelkonsole und Baum eingeklemmt gewesen. Neben dem weißen BMW standen, Zigarette rauchend, ein Mann und eine Frau. Gott sei Dank. Ich hielt an und fragte ob alles okay sei. Dem war so, also fuhr ich weiter, jetzt noch vorsichtiger. Irgendwann hörte der Regen auf. Leider wurden meine Handschuhe davon auch nicht trocken. Zusätzlich zum kalten Wetter kam nun, dass mir der Rücken anfing weh zu tun. Der Schaumstoff der Sitzbank ist für längere Touren einfach zu weich.


    Mittlerweile war mir klar geworden, dass ich Köln nie und nimmer zur geplanten Zeit erreichen würde, also wollte ich es mindestens noch bis Korbach, eher Olpe schaffen. Ich hatte absichtlich kein Zelt mitgenommen, weil ich auf Zelten im Regen einfach keine Lust hatte. Mich reizte das Abenteuer, einmal unter einer Brücke zu schlafen. Warum auch nicht? Unter Brücken ist es trocken und man ist normalerweise ungestört. Ich suchte also permanent nach geeigneten Brücken. Das stellte sich als sehr schwierig heraus. Denn der Zustand unter einer Brücke ist nur dann einsehbar, wenn man darunter druch fährt. Dann ist es aber logischerweise eine Brücke, unter der Autos durchfahren und das wollte ich nicht. Brücken, die über Flüsse gehen, sind schlechter einsehbar und manchmal so zugewachsen, dass sie sich nicht zum Übernachten eignen.


    35 Kilometer vor Korbach war wieder einmal mein Tank leer. Ich schaltete auf Reserve und wusste aus Erfahrung, dass ich nun bei vorsichtiger Fahrweise noch 22 Kilometer zurücklegen konnte. Es war inzwischen nach Mitternacht und ich passierte Ortschaft für Ortschaft. Doch keine Tankstelle hatte mehr geöffnet. Bis Korbach waren es nun noch 10 Kilometer und es machte sich Panik breit. Was sollte ich tun, wenn ich mitten auf einer Landstraße liegen bleibe? Ein Auto anhalten? Dass Leute Benzinkanister mitführen, passiert dank gut ausgebauter Tankstellennetze immer seltener. Den ADAC anrufen? Hilft der einem in solchen Fällen? Ich wusste es nicht. Ich fuhr weiter, so langsam wie möglich, den Gasgriff so wenig aufgezogen wie nötig. Die 22 Kilometer waren längst gefahren und Korbach war, wie gesagt, noch 10 Kilometer entfernt. Die Situation war zum Verzweifeln. In der Theorie war mein Tank schon lange leer, aber die Schwalbe fuhr mit 25km/h immer weiter. 2 Kilometer vor Korbach passierte es dann. Der Motor zündete nicht mehr. Ich ließ das kleine grüne Moped im vierten Gang ausrollen um so lange wie möglich Licht zu haben. Glücklicherweise war 20 Meter weiter ein kleiner Parkplatz, auf welchem ich hielt. Ich schüttelte die Schwalbe um noch die letzten Tropfen Benzin in den Vergaser laufen zu lassen. Ich trat auf den Kickstarter und siehe da: Sie sprang an! Ich fuhr ganz langsam weiter und sah wenige Augenblicke später das Ortsschild von Korbach. Stotternd rollte mein 32 Jahre altes Zweirad auf das Gelände der Esso Tankstelle. Ich hatte es geschafft! In den Tank passten nun 6,5 Liter, so viel wie noch nie!


    Mit vollem Tank ging die Fahrt weiter, mein Ziel war nun Olpe. Weiter wollte ich auf keinen Fall fahren. Wenn ich vorher einen geeigneten Schlafplatz finden würde, würde ich ihn nehmen. Ich passierte den sehr kalten Ort Winterberg, dann Schmallenberg und Lennestadt. Schließlich erreichte ich Olpe. Keine Brücke. Und was passiert, wenn einem kalt ist, man vor Müdigkeit kaum noch die Augen offen halten kann und Rücken und Sitzfleisch von 300km Fahrt so richtig weh tun? Genau. Es fängt wieder an zu regnen. Darauf hatte ich nun gar keine Lust, also fuhr ich sofort unter ein Haltestellenhäuschen an einem Dorfrand und setze mich auf die Bank. Meine Füße platzierte ich auf dem Auspuff um sie zu wärmen. Von meinem Platz an der Haltestelle sah ich die Häuser des Dorfes, durch welches ich gerade gefahren war. Teilweise waren sie noch erleuchtet und ich stellte mir die Menschen vor, die bei einem warmen Tee vorm Fernseher saßen und bald in ein warmes Bett steigen würden.


    Der Versuch auf der Bank des Haltstellenhäuschens zu schlafen, scheiterte. Zum einen weil es furchtbar unbeguem war und zum anderen weil in 3,5 Stunden der nächste Bus kommen würde. Ich zog also wieder meine Motorradhose an und fuhr weiter durch den kalten Regen über Bergneustadt, Gummersbach und Engelskirchen. Als ich durch Overath fuhr, grüßte ich in Gedanken meine hier lebenden Verwandten. Mittlerweile war es halb 3, dort zu klingeln kam also wirklich nicht in Frage. Dann endlich, in Lohmar, 15 Kilometer vor Köln fand ich eine Brücke. Sie war recht groß und ging über einen Fluss. Ich stellte mein Moped ab und ging mit meiner Taschenlampe die Stufen zum Wasser hinunter. Was für ein schöner trockener Platz. Das leisende rauschende Wasser, rundherum Sträucher als Sichtschutz und zwei Kaufland-Einkaufswagen. Vielleicht würde ich also noch Besuch bekommen. Ich nahm die nötigsten Sachen von meiner Schwalbe und richtete mir unter meiner Brücke ein Lager ein. Es war wie im Paradies. Ich kroch in meinen Schlafsack und schlief nach über 400 Kilometern in 13 Stunden sofort ein. Es war 3:30Uhr.


    Fortsetzung folgt...

  • Ich wachte um 9 Uhr auf. Die 5,5h Schlaf waren nicht lang, aber tief gewesen. Ich packte die Schwalbe, welche die gesamte Nacht oben auf der Brücke auf mich gewartet hatte. Mein erster Weg führte mich zum Supermarkt um Frühstück zu kaufen. Ganz in der Nähe meines Übernachtungsplatzes befindet sich der Flughafen Köln/Bonn. Da ich Flughäfen und alles drumherum sehr mag, fuhr ich direkt dorthin und parkte mein Moped am Parkplatz vor dem Terminal. Im Terminal trank ich einen Kaffee und schlenderte so umher um mir ein wenig die Zeit bis zu meinem Seminar zu vertreiben.


    Als ich gerade zum zweiten Mal auf die Besucherterasse gehen wollte, hörte ich eine Ansage über die Lautsprecher: "Der Fahrer des Rollers mit dem Kennzeichen 123 XYZ wird dringend zu seinem Fahrzeug gebeten". Ich dachte mir zunächst nicht viel dabei, weil außer, dass ich mich nicht direkt auf einen PKW-Parkplatz gestellt hatte, sondern auf den daneben verlaufenden Bürgersteig, hatte ich eigentlich nichts falsch gemacht. Ich ging also sofort zurück zum Parkplatz und sah von weitem schon zwei Polizeiautos der Bundespolizei und 4 Polizisten, welche um mein Moped herum standen. Und wie ich auf die Herren in Grün und Blau zulief, wurde mir schlagartig klar, was das Problem war. Ich hatte natürlich meine Taschen am Moped gelassen, da diese umständlich befestigt sind. Diese wurden allerdings als herrenloses Gepäck wahrgenommen. Ich grüßte die Beamten mit den Worten: "Guten Tach, dit is meins." und deutete dabei auf mein Moped. Der eine Polizist forderte meinen Ausweis, welchen er an seine Kollegen weiterreichte. Während ich dem gleichen Beamten den Inhalt meiner Taschen zeigte, bekam ich mit, wie seine Kollegen im Hintergrund per Funk abklärten, dass sowohl Mopedbesitzer, als auch Ausweisinhaber die selbe Person sind. Der Polizist, mit welchem ich bis dahin die Konversation geführt hatte, wies mich dann noch darauf hin, dass, wenn es noch länger gedauert hätte, man die Entschärfer gerufen hätte und wünschte mir noch ein gute Fahrt. Kein Strafe, nichts. Was für ein Glück.


    Nach dieser Begegnung war ich aber sowas von wach und machte mich über einen kleinen Umweg durch den Kölner Süden auf dem Weg zu meinem Seminar. Während des Seminars regenete es noch, aber als dieses vorbei war, hatte auch der Regen aufgehört und ich machte mich um 19:00 auf den Heimweg. Da ich die Hinfahrt am Stück geschafft hatte, ging ich davon aus, dass es rückzu auch möglich sein sollte. Ich dachte das, obwohl mir immer noch alles wehtat und ich sehr müde war. Ich startete mit einfacher Hose, T-Shirt, Pullover und Jacke. Nach einer halben Stunde hatte die Schwalbe wieder einmal Durst und ich fand auch prompt eine Tankstelle. Warum nicht immer so? Ich nutze den Stop und zog mir eine weitere Hose an. Um 20:30 Uhr hielt ich an einem Supermarkt und kaufte mir etwas zum Abendessen. Der Blick auf mein Handy-Thermometer verriet, dass es 9°C waren und so entschloss ich mich, noch meine Motorradjacke anzuziehen. Ein großer Vorteil zum Vortag war, dass meine Handschuhe mittlerweile trocken waren und so waren die Hände nicht zu kalt.


    Ich wusste, dass ich die Strecke bis nach Halle komplett in der Nacht zurücklegen würde und das war etwas, was, wie sich noch herausstellte, überhaupt nicht empfehlenswert ist. Zum einen ist es natürlich kälter als tagsüber, das Licht der Schwalbe ist trotz VAPE-Zündung nicht herausragend, dafür ist es das Fernlicht der Autofahrer, welches permanent blendet. Ich fuhr rückzu genauso wie hinzu, aus dem einfachen Grund, dass es sich nachts eh nicht lohnt eine andere Strecke zu fahren, weil man ja nichts sieht, zum anderen würde ich so den Weg einfacher finden. Ich fuhr ja ohne Navi.


    Irgendwann wurde es mir dann auch mit 2 einfachen Hosen zu kühl und ich zog noch zusätzlich meine Motorradhose an. Ich fuhr ununterbrochen bis zu meinem nächsten Tankstop im immer noch sehr kalten Winterberg. Dort fuhr ich eine Araltankstelle an und trank im Shop einen warmen Kaffee. Während ich in der Wärme saß, sah ich, dass ich auf meinem Handy 2 Anrufe von meinen Eltern hatte. Ich rief sofort zurück und erzählte ein wenig von den letzten Tagen. Die Frage meiner Mutter, ob ich nicht nach Eisenach kommen möchte, um dort zu übernachten, musste ich leider verneinen, weil ich ja am nächsten Tag in Halle sein musste.


    Und als ich dann wieder auf die dunkle Landstraße in Richtung Kassel fuhr, wurde ich mir meiner Einsamkeit in diesem Moment bewusst und ich war auf einmal den Tränen nahe. Ich kann es nicht genau erklären, warum. Es war die Dunkelheit, die um mich herum waberte, es war das Telefonat mit meinen Eltern, das Wissen, dass ich dort jederzeit willkommen bin, egal ob ich gerade mein Studium aufgegeben habe oder ob ich mitten in der Nacht erscheine, es waren die Schmerzen, die die letzten 600 Kilometer verursacht hatten, es war die Stille der Nacht und gleichzeitig der Lärm, den der Motor der Schwalbe verursachte und es war der Respekt vor meinem Fahrzeug, welches diese Strecke bisher deutlich besser weggesteckt hatte als ich und welches auch in diesem Moment ohne Murren seine Arbeit tat. Das mag für den Leser dieses Berichtes vielleicht seltsam oder lächerlich klingen, aber wenn man stundenlang ganz allein über dunkle Landstraßen fährt, immer wieder von Autos überholt wird und man weiß, dass in diesen Leute im Warmen sitzen und bald zuhause sind, während man auf dem Moped keinen Input hat, sei es über Radio, Mitreisende, etc, dann kommt es durchaus mal zu solchen Situationen, in denen man viel nachdenkt und welche dann in einem die verrücktesten Gefühle auslösen können.


    Und je weiter ich fuhr, desto wärmer wurde es. Es war schließlich sogar so warm, dass ich mit offenem Visier fahren konnte. Die weitere Fahrt verlief, bis auf mein schmerzendes Sitzfleisch, ruhig. Kurz vor Kassel allerdings, wo meine Strecke die A44 kreuzt, gab es dann eine Situation, die beinahe das Ende der Fahrt bedeutet hätte. Die A44 hat an dieser Stelle eine Autobahnabfahrt, welche dann von rechts an die Straße anschließt, auf der ich fuhr. Von dieser Abfahrt kam ein Auto, die Ampeln waren alle aus, ich hatte Vorfahrt. Und wie ich gerade den Gedanken hatte, dass dieser PKW aber recht schnell an die Kreuzung heran fährt, war ich schon mitten auf der Kreuzung. Der Wagen, welcher links abbiegen wollte, also in die Richtung fahren wollte, aus der ich kam, kam scharf bremsend zum Stehen und ich konnte gerade noch ausweichen und blieb einige Meter weiter ebenfalls stehen. Ich blickte nach hinten. Das Auto blieb noch einige Sekunden mitten auf der Kreuzung stehen und fuhr dann davon. Ich war relativ sprachlos. Ich hatte Licht angehabt, sogar Fernlicht. Warum hatte er mich nicht gesehen? War er vielleicht auch so müde wie ich? Wollte er vielleicht auch schnell nach Hause? Ich weiß es nicht, aber ich weiß, dass ich richtig Glück gehabt habe.


    Auf der weiteren Fahrt durch Hessen wurde ich zweimal am Ortseingang geblitzt. Meine Güte, sind die Dinger hell. Ein Blick auf den Tacho verriet mir, dass ich 12km/h zu schnell gefahren bin. Sollten diese Blitzer als auch von hinten fotografieren, hätte ich Pech.
    Schließlich erreichte ich Kassel und wurde in dieser Stadt von leicht bekleideten Damen am Straßenrand winkend begrüßt. Sehr nett. Ich hatte jedoch keine Zeit zu verlieren, also ging es weiter. Meine angepeilte Ankunftszeit von 3:00 war bereits hier fast erreicht und ich wünschte mir nicht sehrnlicher, als in Halle in mein warmes Bett zu fallen. Doch bis dahin hatte ich noch 200 Kilometer zurückzulegen. Von dieser Strecke gibt es außer den steigenden Schmerzen nicht viel zu berichten. Wie schon am Tag zuvor passierte ich Nordhausen, dann die Grenze nach Sachsen-Anhalt, Sangerhausen und Eisleben.


    Um halb 5 erblickte ich am Horizont die Hochhäuser von Halle Neustadt, die beleuchtete Marktkirche und im Süden die Lichter der Chemiefabrik Leuna. Ich war bald zuhause. Die letzten Kilometer legte ich nicht mehr allein zurück. Mich überholten bereits die ersten Autos der Menschen, die so früh schon zur Arbeit fahren müssen. Ich rollte auf meinen Parkplatz in Halle. Ich hatte es geschafft. Der Tacho zeigte 8.801 Kilometer an. 940 Kilometer mehr, als zur Abfahrt. Wenn ich sage: "Ich habe es geschafft", dann meine ich meine Schwalbe. Dieses kleine Zweirad, welches in einem Monat 33 wird. Dieses kleine grüne Moped mit seinem rostigen, eiernden Hinterrad, dem zerkratzten und verdrecktem Blechkleid. Der kleine Zweitakter, der mich mit 3,7 Pferdestärken und verschlissenen Kurbelwellenlagern bis nach Köln und zurück gebracht hat! Der Motor der Schwalbe lief während dieser "Reise", die 39 Stunden dauerte, 25 Stunden. Er lief auf der Rückfahrt 10 Stunden fast ohne Unterbrechung. Sie hat nicht ein einziges Mal gestottert oder Anzeichen von Ermüdung gezeigt. Sie lief auch heute genauso wie gestern, vorgestern oder vor über 13.000 Kilometern, als ich sie gekauft habe. Kurzum, sie war so frisch wie am ersten Tag und ich war so kaputt, wie nie.


    Das Fazit der Reise? Die Schwalbe ist sowohl für den Stadtverkehr, als auch für weite Reisen sehr gut geeignet. Dem Moped ist es egal, ob es bei Regen oder Sonne, bei Tag oder bei Nacht, bei 10 oder 30°C gefahren wird. Aber das schwächste Glied ist letztendlich der Fahrer und dem sind diese Faktoren leider nicht egal. 960 Kilometer in unter 40 Stunden sind machbar. Aber nur einmal und dann nie wieder.


    Abschließend noch für die Statistik:
    Gesamtdauer der Reise: 39h
    Zurückgelegte Strecke: 960km
    Fahrzeit (inklusive Tank- und weitere Stops): 25h
    Höchstgeschwindigkeit: 75km/h
    Durchschnittsgeschwindigkeit: 38,5km/h
    Durchschnittsgeschw. auf Gesamtdauer: 24,6km/h
    Verbrauchtes Benzin: ca. 30l Super, 600ml Zweitaköl
    Durchschnittsverbrauch: 3,2l/100km
    Pannen: keine

  • Glückwunsch zu der Erkenntnis das knapp 500km in einer Etappe, zumal bei Nacht, zuviel sind ;). Aber Respekt das du es trotzdem durchgezogen hast!!!


    Ich kennen das Gefühl, alleine mit der Straße, über hunderte oder gar tausende von km. Kann man machen, sollte man aber einigermaßen gut vorbereiten. Vom Zeitplan her hätte ich zB einfach mal nach 300km eine Pension oder ähnliches angesteuert, bzw im Vorfeld schon ausgesucht und reserviert. Vor allem bei dem zu erwartenden Wetter. Aber naja dann fehlt es ja an Abenteuer :mrgreen: Und ein relativ enger Zeitplan ist bei einer Reise mit unseren betagten Zweitaktern auch eher ein Ausschlusskriterium. Ich hab bei meinen letzten 500 km auch statt geplanter 2 gleich 3 Tage gebraucht. Wie sich heraus stellt ist ADAC Plus aber bei sowas Gold wert!


    Im Übrigen hilft der ADAC natürlich bei Pannen jeder Art, auch wenn sie selbst verschuldet sind. Soweit ich gehört habe kostet es aber einiges, wenn der ADAC dir den Sprit vorbei bringt (Also zumindest der Sprit an sich, die Pannenhilfe als solches ist glaube trotzdem kostenlos)


    Alles in Allem: Schöne Tour und auf jeden Fall ne Geschichte die man sich bestimmt in Suhl am Lagerfeuer nochmal anhören wird :bounce:


    PS: Wenn man sich die Bahn nicht leisten will kann man heutzutage auch schön warm und trocken im Fernbus reisen. Und auf busliniensuche.de bietet die Bahn sogar Sparpreise an, die du über bahn.de nicht bekommst!

    R.I.P. Ronny, nur die Besten sterben jung!

  • Schöner Bericht und Klasse Leistung, wenn ich mal groß bin, mach ich das auch mal.
    Ab 22,00 Uhr sollte man schon mal über Tankstellen nachdenken, zumindest auf dem Land.
    Wenn ich Nachts Unterwegs bin, habe ich meist einen 5L Kanister im Seitenkoffer.



    Gruß
    Frank

    • Offizieller Beitrag

    Ein wirklich sehr bewegender Bericht.
    Du hast mich Deine Hoffnungen und Ängste beim Lesen miterleben lassen.
    Dafür vielen Dank.

    Aber nochwas:
    Wie kommt man auf die Idee, 450 km am Stück fahren zu wollen? :shock:
    Und am nächsten Tag nochmal!? :shock::shock:
    Mit dem Moped!? :shock::shock::shock:
    Mein Popometer geht nach 50 km schon in den roten Bereich.
    Dafür meinen Respekt.

    Beste Grüße von einem Exil-Merseburger
    Kai

    Ich bin nicht perfekt, aber ich arbeite dran.. ;)

  • Das mit der Verzweiflung kenn ich ^^


    Mir gings so auf der Tour nach Suhl, um 1 Nachts, alles dunkel, Radlager vom Anhänger hörte sich an wie bald auflösen, Batterie der Schwalbe und vom Handy war leer. Der Grund dafür war nur ein gammeliger Kontakt wie sich herrausstellte, die Tankstellen hatten alle zu, ich hab mich ständig verfahren da fast nix ausgeschildert war und im Tank waren noch 2-3 Liter. Der Reservekanister im Anhänger war komplett leer.


    Das beste daran, die Pension hatte nur bis 23Uhr offen. 50km hatte ich aber noch zu fahren, zum glück lud die Batterie der Schwalbe kurz sodass ich meine Eltern anrufen konnte damit die sich um die Pension kümmerten, als ich dann auch noch ne offene Tankstelle gefunden hab und die mir ne Karte gegeben haben war ich froh. Nur zu dumm dass die Karte auf gut Deutsch gesagt scheiße war, mittem im Wald, Batterie leer und ne sinnlose Karte, so wünscht man sich das.....


    Die Rückfahrt fand dann ohne Anhänger statt, mein Dad hat ihn zum Glück abgeholt da das Radlager nichtmehr vorhanden war ^^ Aber die Sitzbank ist die Beste die es gibt, komplett original und perfekt gepolstert. 12 Stunden am Stück, 300km und die Schwalbe lief. Hätte die Schwalbe noch Mukken gemacht dann wüsste ich nicht was ich machen würde ^^ Mittem im Wald ohne Licht wäre das sehr sehr schlecht geworden obwohl an Werkzeug alles, echt alles, da gewesen wäre.


    Deine Geschichte find ich aber super erzählt und ich hab ähnliches erlebt ^^ Ich empfehle dir wärmstens ein Knieleder, auch wenns in Rentner Klischee fällt ist es doch das Beste was ich mir jemals gegönnt hab, nie wieder ohne :)

  • Vielen Dank für euer positives Feedback! :)
    Kai71
    Wie man auf so eine Idee kommt? Es war einfach die preiswerteste Möglichkeit nach Köln zu kommen und ich habe die Distanz einfach komplett unterschätzt - unter diesen Bedingungen.

  • Hab was ähnliches erlebt nur nicht so extrem. Bin schon mal nach Italien mit meiner Schwalbe:
    Mit einer Simson Schwalbe
    Nach meinem Aufbau der S51:
    Zeigt her eure Simson ... - Seite 94
    nun meinte ich, 150 km zu einem Lehgang auch mit der S51 fahren zu müssen. Ein Tag vorher hin und am letztenTag nach Ende des Lehrgangs zurück.
    Wetter: erst nasse Fahrbahn, hatte aber kein Regen, aber die letzten 50 km mußte ich im dunkel fahren, das ist echt doof, weil Gegend für mich unbekannt, mußte aber durch Stadtgebiet. Hatte zwar ein Navi fest installiert, und Autobahn abgewählt, aber es wollte mich oft auf Autostrassen führen, mußte also aufpassen. Das Gepäck hatte ich minimiert, nur zwei Fahrradtaschen an der Seite und Topcase reichte.
    Wichtiges Utensil: selbstgefertigte Kniedecke!
    Rückweg war super Wetter mit Sonnenschein.
    Bis ich 1km bevor ich zuhause war zu spät reagiert habe und einem Pkw aufgefahren bin. Glück im Unglück: bin auf die linke hintere Ecke aufgeschlagen und wurde unsaft duch die Luft geschleudert. Bin mit Prellungen davon gekommen. Aber andere PKW und meine S51 demoliert. Hab beim "Abflug" mit den Lenker nach vorne gekippt, Blinkerschalter, Tacho und Drehzahlmesser defekt, Scheinwerfer defekt, vorderes Rad hat eine Acht, etliche Kratzer am Schutzblech, Knieblech...evtl Telegabel defekt?... konnte aber noch nach Hause fahren. Abgemildert wurde der Unfall durch Motorradjacke, Stiefel und Helm, die Kratzer die jetzt im Helm sind, wollte ich nicht am Kopf haben. Aber ich glaube auch ohne Knieblech wäre mein Bein mehr demolliert.


    Meine Moral von der Geschichte: Man sollte sein Tagespensum vernünftig einteilen. Eine Sekunde Unachtsamkeit hätte auch noch schlimmer Enden können.

  • Hallo Albi,


    da bist Du ja ganz in meiner Nähe vorbeigefahren. Wohne in Frielingsdorf, ca. 15 Schwalbeminuten von Engelskirchen entfernt.


    Hättest Du Dein Vorhaben vorher hier geschildert, hätte ich Dir bestimmt eine warme Bleibe bei uns anbieten können.


    Vielleicht beim nächsten Mal!


    Gruß


    Daniel

  • Ich muss auch sagen: Respekt und schön geschrieben.
    Meine längste Tagestour war 250km und 8h, da wir uns im Raum Köln nur noch verfahren haben.
    Danach war ich aber sowas von fertig und hatte starke Rücken- und Gesäßschmerzen.
    Mir erscheint nur dein Verbrauch von 3,2L ziemlich hoch.
    Meine S51 brauchte mit Bing, Vape und ori DDR 50er auch mit Sozius immer 2,5L (allerdings ist es im Münsterland nicht so bergig).

  • Ich muss auch sagen: Respekt und schön geschrieben.
    Meine längste Tagestour war 250km und 8h, da wir uns im Raum Köln nur noch verfahren haben.
    Danach war ich aber sowas von fertig und hatte starke Rücken- und Gesäßschmerzen.
    Mir erscheint nur dein Verbrauch von 3,2L ziemlich hoch.
    Meine S51 brauchte mit Bing, Vape und ori DDR 50er auch mit Sozius immer 2,5L (allerdings ist es im Münsterland nicht so bergig).


    Danke! :)


    Naja, zum Verbrauch: Der Verbrauchsoptimum liegt bei dem M541 wohl bei 40km/h. Allerdings bin ich eigentlich immer Vollgas und somit auch meistens Volllast gefahren. Wo es das Gelände zuließ auch mal 75, oft 65. Ich weiß nicht, ob diese Fahrweise extrem ungewöhlich ist, denn die meisten verbrauchen ja, wie du, weniger. Oder alle anderen fahren so wie ich, haben aber einen besser eingestellten Vergaser/Motor, etc.
    Meine Rückenschmerzen waren übrigens 1,5 Wochen nach der Tour weg! ;)

  • Meine Güte, Albi du machst ja Sachen! RESPEKT! Du bist ja ein ganz schön harter Knochen, WOW!


    Den Verbrauch von 3,2l halt ich für unbedenklich. Da die Schwalbe ja einen höheren Windwiderstand als eine S51 aufweist und du außerdem BVF16N1-12 fährst hinkt Marvs Vergleich etwas.



    MfG


    Matze

    Stets dienstbereit, zu Ihrem Wohl, ist immer der Minol-Pirol!

  • Also erstmal muss auch ich dir noch meinen Respekt für diese tortur ausprechen hatte ja noch nix geschrieben .. hab aber alles gelesen ;)


    3,2l mögen zwar unbedenklich sein, aba ich verbrauche mit der schwalbe auch bei immer vollast, auch innerorts, und auch mit dem BVF16N1-12 nur ~2,5l auch beladen und so weiter (und albi is ja nu auch nich schwerer als ich)

  • Hut ab und ein toller reise(Fahrbericht) Bericht!Jetzt weiß ich,daß meine kleine wohl mehr aushält als ich dachte. Und mit (52 Jahre alt) heute noch zu traue(Nachfahrt auf langer Tour!).
    Andreas

    HS1 12 Volt 35/35 Watt, electronikzündung.4 Gang. Sr 50 /1 c

  • @ Albi toll Geschrieben und Respekt das du das gemacht hast! Da ich schon ein älteres semester bin dachte ich sowas gibt es nicht mehr. Habe auch viele Km. mit allen möglichen Fahrzeugen hinter mir und weis was das heist. Das man gedanklich bei langen turen auch mal sozusagen den moralichen hat kennt jeder der viel am stück fährt!

    Man sagt der Citroen XM schwebt über die Straße,die Schwalbe fliegt ;)

  • Wow eine starke Tour, vor allem wenn man bedenkt, das man mit Schmerzendem Hintern / Rücken wieder zurück muss. Hut ab, aber nachmachem würde ich das nicht!
    Grüße Sören

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!