Tja, wo fange ich an?
Das Thema schwelt in meinem Unterbewusstsein schon länger, und irgendwann wurde ein ausgewachsener Großbrand daraus: Simson ist geil, aber es geht noch ein bisschen schneller, vor allem bergauf. Also tunen? Kommt nicht in Frage! Ich brauche ein Motorrad.
Als erstes Hindernis ist da der Führerschein. Der nicht vorhandene. Also meldete ich mich im letzten September in der Fahrschule um die Ecke an und drückte mit einer handvoll Teenies die Schulbank. Nach mehr als 25 Jahren unfallfreier PKW-Fahrerei fiel es mir nicht leicht, mir anhören zu müssen, was ich denn alles falsch mache bzw. nicht wusste. Am meisten aber störte mich das Fahrschulmoped: Eine BMW F 650 CS "Scarver". 50 PS, 0 - 100 in 4,2 Sekunden, 650 ccm Eintopf mit Zahnriemen. Fahrwerk OK, Bremsen vorzüglich, Motorcharacteristik einfach Scheiße und obendrein POTTHÄSSLICH, die Karre. Ich hatte von vornherein ein ziemlich gespaltenes Verhältnis zu dem Gerät. Nachdem ich ein paar Stunden Grundfahrübungen und sämtliche Pflichtstunden abgespult hatte, durfte ich den Prüfer davon überzeugen, daß ich mit dem Ding umgehen kann. Voller Stolz nahm ich dann auf dem Landratsamt meinen A-Schein in Empfang. A-Direkt, d.h. ohne Leistungsbegrenzung. Damit dürfte ich auch eine Hayabusa fahren, wenn ich denn bekloppt genug wäre. Etwa anderthalb Riesen hat mich der Spaß gekostet. Bis auf weiteres war ich erst mal pleite.
Aber man darf ja träumen. Ich träumte also von einer alten Emme (Schrauberobjekt? Lieber nicht) Oder einer noch älteren Sport-AWO (zuwenig Dampf. Und nicht genug Blinker). Oder einer brandneuen Royal Enfield Bullet 500 (zu teuer. Und auch zuwenig Dampf). Oder sowas ähnliches.
"Komm mir nicht mit so einer alten Rostlaube an! Ich will ein eisdielentaugliches Motorrad. Und ich will mitfahren." erklärte mir meine Frau.
"Schauen Sie nicht zu sehr nach Fernost!" sagte ein Arbeitskollege, erfahrener Biker, demnächst im Ruhestand. "Die richtige Farbe ist blau-weiß." Ich nickte freundlich, wie ich das immer tue, wenn mir jemand den Buckel runterrutschen kann. Ein paar Wochen später (Anfang Dezember) stolperte ich in der Bucht über einen pechschwarzen chromblitzenden Feuerstuhl. Jedenfalls sah er auf den Fotos so aus. Der Verkäufer erklärte mir am Telefon, das Gestühl sei gut gepflegt und in gutem bis sehr gutem Zustand, er könne auch gern liefern. Ohne das Ende der Auktion abzuwarten und ohne das Gerät selbst in Augenschein zu nehmen, klickte ich auf "Sofort kaufen". Ich überwies sogar noch eine Anzahlung, um die er gebeten hatte. Als Außenstehender müßte man sich fragen: Wie kann man bloß so vertrauensselig sein?
Nach einer Woche wachsender Sorge bekam ich pünktlich wie verabredet geliefert: Eine Yamaha Virago XV 535 2YL, Baujahr 95. 46 PS, 160 km/h BBH, 5-Gang, Kardan, Sissybar. Was auf den Fotos als pechschwarzer chromblitzender Feuerstuhl in gutem Zustand dargestellt war, entpuppte sich in Wirklichkeit als pechschwarzer, chromblitzender Feuerstuhl in gutem Zustand. Mit 22 tkm auf der Uhr und für insgesamt 1800 Euro. Was ist die Steigerung von pleite?
Ein Spielzeug für große Jungs, dachte ich. Bei genauerem Hinsehen stellte sich heraus, daß es wohl doch eher ein Spielzeug für große Mädels war. Die drei Vorbesitzer waren allesamt Vorbesitzerinnen. Wegen der gutmütigen Fahreigenschaften und wegen des idiotensicheren Fahrwerks wurde die Virago gern als Fahrschulmaschine eingesetzt.
Egal, ich brauchte eine Zulassung. Am nächsten Freitag düste ich mit meinem wackeren SR 50 nach Bayreuth zur Zulassungsstelle und stellte dort sicher, daß ich mit der Yammi auch fahren darf. Interessanterweise liegt trotz der mehr als zehnfachen Motorleistung und der mehr als zweieinhalbfachen Höchstgeschwindigkeit die Haftpflichtversicherung nicht wesentlich höher als in der Rasenmäherklasse. Sind Chopperfahrer vernünftige Biker mit geringem Unfallrisiko? Jedenfalls durfte ich nun fahren, und ich fuhr. Bisher nur ca. 500 km, aber das ist ja noch steigerungsfähig.
Meine Frau ging jedenfalls davon aus, daß meine Simson-Manie wohl nun der Vergangenheit angehört. Aber das war ein Irrtum, wie sie bald herausfinden musste. Für die Fahrt zur Arbeit ist so ein 4-Takter weniger geeignet: Auf den 2,5 Kilometern wird der Motor gar nicht richtig warm. Den SR-50 brauche ich nach wie vor zum Einkaufen, auch das Tourenfahren auf der Schwalbe bringt nach wie vor das Glücksgefühl mit Sahnehäubchen. Auf längeren Strecken oder im Soziusbetrieb werde ich wohl öfter mal 4-taktig unterwegs sein. Vielleicht mache ich auch mal eine Skandinavientour mit dem Motorrad, wenn man mich läßt. Aber es gibt gute Gründe, weiterhin Simson zu fahren. Und das werde ich auch tun.
Gruß
Hendrik