Tag 3 18.05.2012 Reutte – Davos
Soweit, sogut, nach dem Frühstück wurde ich langsam nervös und freute mich bereits auf den vor uns liegenden Tag. Ob die Mopeds die Steigungen schaffen… ob sich wohl der geringere Sauerstoffgehalt aufs Fahrverhalten auswirkt… ich hab gestern schon so gefroren… Solche Gedanken gingen mir durch den Kopf als ich meinen Hobel wieder startklar machte. Als wir aus Reutte raus waren, ging es erst einmal auf die Straße 179 Richtung Leermoos. Wir führen durch Leermoos durch, nicht durch den Tunnel. Hinter Leermoos fuhren wir Richtung Imst, unser erster und niedrigster Pass der Tour liegt vor uns. Der Fernpass mit 1.210m Höhe. Kein Problem. Da die Passhöhe eher unspektakulär war, legten wir kurz vorher eine kleine Pause ein. Uns war bekannt, dass der Fernpass eine der am meisten befahrenen Passstraßen ist. Davon war an diesem Morgen aber nichts zu spüren. Er war wirklich stressfrei zu fahren.
Hinter Imst ließen wir das Inntal mit der A12 und der B171 rechts liegen und fuhren auf einer kleinen Straße (L16/L17) weiter ins Pitztal. Die Straße führte uns durch kleine Ortschaften, wurde immer schmaler und führte mit satten Steigungen in den Wald. Hier musste auch die hintere Fußraste meines Kollegen in einer Haarnadelkurve das erste Mal Bekanntschaft mit dem Asphalt machen, was uns beide sehr irritierte. Uns war nicht bewusst, wie sehr man sich bei ca. 15km/h in die Kurven legen kann…;o) Nach einem sehr steilen Stück hielten wir in einer kleinen Ortschaft, ich denke es war der Ort „Piller“, ließen uns kurz auf dem Dorfplatz nieder und gönnten den Maschinen eine kleine Verschnaufpause. An einem Kiosk kaufte ich mir was zu trinken, wo mich der vermutlich beste und sehr redselige Kunde des Ladens auf die Interessante Vespa ansprach. Ich teilte ihm unser Vorhaben mit, worauf er sagte, dass es bis zum Aussichtspunkt nicht mehr weit sei. Aussichtspunkt? Steht nicht
auf meiner Karte. Ich hatte die Route nur gewählt, um den großen Straße auszuweichen. Na dann lassen wir uns mal überaschen. Aufgesattelt und weiter geht’s. Wir düsen weiter bergauf durch den Wald, bis die Steigung allmählich weniger wird. Der Wald öffnete sich und auf einmal stehen da ca. 200 Motorräder auf einem riesen Parkplatz mit grandioser Aussicht. Wir befinden uns am „Gachen Blick“ zwischen Pitztal und Kaunertal. Beeindruckend. Nicht nur für uns, sondern scheinbar auch für die 200 Motorradfahrer, die hier oben wohl nicht mit den beiden stinkenden Zweitaktern gerechnet hatten. Wir hielten kurz an zum Fotoshooting, fuhren dann aber alsbald weiter, die großen Pässe sollten ja erst noch kommen. Wir wurden mit einer grandiosen Abfahrt belohnt, so dass immer wieder zum gucken gehalten werden musste.
Im Tal angekommen beschlossen wir, nicht die große B180 zu nehmen, sondern auf den kleinen Landstraßen im Tal entlang zu fahren. Das war in den Ortschaften nicht ganz so einfach, so dass wir das ein oder andere Mal in einer Sackgasse landeten. So ging es weiter Richtung Reschenpass, immer im Tal entlang. Irgendwann aber ging es nun doch auf die B180, um zum Reschenpass zu kommen, was aber auch kein Problem darstellte. Wenn ich mich noch recht entsinne, legten wir an einer Tankstelle in Nauders noch einen Pitstopp ein. Bei der Gelegenheit versuchte ich noch, das Rücklicht der Schwalbe wieder instandzusetzen, es hatte von uns unbemerkt den Dienst quittiert. Da dieser
Eingriff aber nicht so erfolgreich war wie am Tag zuvor, war nun die Devise: „im Tunnel fahr ich hinten“. Beim Bäcker wärmten wir uns nochmal auf, bevor es weiter ging zum Reschenpass, wo wir nach kurzer Fahrt von uns unbemerkt auf eine sehr gut ausgebauten Bundesstraße bereits die Passhöhe auf 1.455m erreichten. Wie, schon oben…? Ich weiß nicht, ab wann eine Straße den Namen „Pass“ tragen darf, aber das kam mir spanisch vor. Was solls, wir sind in Italien ;o) Der erste Aufkleber für den Tank wurde gekauft, und nach ein paar Kilometern am Reschensee halt gemacht. Ich konnte es kaum fassen. Italien. Mit einem derart reibungslosen Ablauf hatte ich wirklich nicht gerechnet. Italien. Wir fotografierten unsere Maschinen vor dem Kirchturm. Ein Holländer, er kam gerade vom Bodensee, informierte uns, dass alle Pässe, die wir noch vor uns hatten, schneefrei wären. Auch das Stilfser Joch soll befahrbar sein. Kurz wurde überlegt, ob wir es wagen sollen, haben uns aber dann dagegen entschieden. Man muss ja nun auch nicht gleich alles auf einmal machen…
Mit dem Gefühl „weiter geht’s, uns kann scheinbar nichts aufhalten“ ging es wieder auf die Straße. Bald kam der Grenzübergang in die Schweiz. Das war aber ein kurzer Aufenthalt in Italien. Den Grenzübergang passierten wir ohne dass uns der Zöllner überhaupt eines Blickes würdigte und es ging weiter durch viele kleine, teilweise auch recht heruntergekommene Dörfer in das Münstertal. Eher zufällig sind an diesem Tag bei einer Pipipause die Bilder entstanden, die die Weite des Tals mit grünen Wiesen und gelbem Löwenzahn, umrahmt von den Schneebedeckten Bergen wiedergeben (Edit 2021: ich finde die Bilder nicht mehr... falls ich sie nochmal finde, hänge ich sie hier an). Ein paar Sonnenstrahlen wären noch perfekt gewesen, aber ich gebe mich auch mit warm und kein Regen zufrieden.
Weiter ging es in Richtung Ofenpass. Mir war diesbezüglich noch etwas mulmig, handelt es sich dabei doch um den ersten 2000er, und somit noch um einiges höher wie der Reschenpass. Das Tal wurde immer enger, und die Ebene wandelte sich langam in eine stetige Steigung. Und sie nahm kein Ende. Dagegen war alles bisherige Pillepalle. Bevor es in die Kehren ging, machten wir noch eine kurze
Pause, um einerseits den Ausblick zu genießen und den Maschinen noch eine Pause vor dem großen Ansturm zu gönnen. Als wir über unsere Maschinen sprachen, beichtete mir mein Mitfahrer, dass er vergessen hatte nach dem Getriebeöl zu schauen. Ich hatte noch ca. 100ml dabei, die wir erst einmal einfüllten. Wir beschlossen aber am nächsten Tag bzw. sobald wir an einer Motorradwerkstatt vorbeikommen, 500ml zu kaufen und ordentlich aufzufüllen. Weiter ging es einige Kehren hinauf, welche meistens nur im ersten Gang zu fahren waren. Oben angekommen wurde natürlich erst einmal der Aufkleber gekauft und dann noch einige Schnappschüsse gemacht. Die Aussicht war super (fand ich als gebürtiger Norddeutsche) und ich wunderte mich, dass auf dieser Höhe noch Bäume wachsen. Ich dachte immer, dass bei 1800m Schluss damit sei. Nach einem kleinen Aufenthalt ging es runter bis nach Zernez. Laut Planung sollte hier eigentlich Schluss für heute sein. Da das Wetter aber gut war und wir früh dran waren, wurde beschlossen, den nächsten Pass auch noch in Angriff zu
nehmen und bis nach Davos zu fahren.
Es dauerte nicht lange, da war die richtige Straße gefunden und es ging wieder rasant in Richtung Flüelapass. Hier ging es gleich richtig zur Sache, ich musste recht schnell in den ersten Gang zurückschalten. Das macht aber nichts, so hat man auch die Zeit sich mal umzuschauen und die Landschaft zu genießen. Und der Flüelapass bot im Gegensatz zu allen anderen Pässen einiges. Sonnenschein, alpine Landschaft, noch reichlich Schnee, und viel Ruhe. Das hat mich generell gewundert. Auf den Pässen war immer so gut wie nichts los. Fernpass und Reschen waren natürlich gut befahren, aber Ofen und Flüela waren menschenleer. Wir schraubten uns mit ca. 15km/h vorbei an gewaltigen Gebirgsmassiven, die noch mit reichlich Schnee bedeckt waren. Oben angekommen waren wir die einzigen. Der Hammer. Moped aus, Helm runter, absteigen und… nix. Absolute Stille.
Ich weiß garnicht, ob ich so eine Stille wie dort oben jemals zuvor wahrgenommen hatte. Kein Wind, kein Blätterrauschen, kein Wasser, keine Autos, einfach nix. Leider machte der Laden dort erst eine Woche später auf, ich konnte mir den gewünschten Aufkleber für den Tank also nicht kaufen. Schade, aber da kann man wohl nichts machen. Da die Auffahrt etwas gedauert hatte, hielten wir die Pause kurz und fuhren wieder herunter nach Davos, um eine Unterkunft zu suchen. Unten angekommen, wurde zunächst die Touriinfo angefahren (Edit 2021: ja, so war das damals ohne booking.com oder hrs...;o) ), die war aber leider schon zu. Also suchten wir uns ein schönes Hotel…zu. Das nächste…zu. Das nächste…zu. Wir dachten eigentlich, in Davos wäre was los, aber der Ort war in der „Zwischensaison“, wie uns berichtet wurde, wie ausgestorben. Das einzige Hotel, das geöffnet hatte, kostete 250€ die Nacht. Das war uns dann aber auch um einiges zu teuer. Die nette Person an der Rezeption empfahl uns aber dann noch die Jugendherberge, was sich als wirklich guter Tipp entpuppte.
Wenn ich an Jugendherbergen dachte, fiel mir immer sofort 8 Personen in einem Zimmer sowie Gruppenduschen ein, was mir alles nicht mehr so zusagt. Wir fuhren aber dort hin, bekamen ein Zimmer für uns alleine mit eigenem Bad und buchten uns gleich für eine Nacht ein. Es war sauber und bequem, ich habe auch schon in schlechteren Hotels übernachtet. Die Übernachtung war zwar auch teuer, es hielt sich aber noch im Rahmen. Ich meine es waren 37€ pro Person, da bin ich mir aber nicht mehr so sicher. Wir bezogen das Zimmer und tranken auf der wirklich schönen Veranda mit Ausblick zunächst mal das „Zielbier“, vielleicht waren es an dem Tag auch zwei. Wir waren wirklich überwältigt und ließen den Tag nochmal Revue passieren…
Abends gingen wir herunter in den Ort und aßen in dem einzigen geöffneten Lokal noch ein viel zu kleines Steak…;o) Zurück in der Jugendherberge, saßen wir nochmal draußen auf der schönen Veranda, auch wenns kalt war, und sprachen über das erlebte und waren uns sicher, dass dieser Tagnicht mehr zu toppen war.
Fazit Schweiz: sehr schön, aber viel zu teuer.